Ganz koscher war nicht alles, was wir vor zwei Wochen serviert haben, trotz des Festmahlthemas „Jüdische Küche“ (Rohmilchkäse ohne tierisches Lab sind ziemlich selten). Dieses Coleslaw nach einem Rezept von Claudia Roden aber schon. Da es ohne Mayonnaise auskommt, paßt es auch wunderbar zum heutigen #tierfreitag.
Ein bisserl adaptiert hab ich natürlich schon: Deutlich mehr Senf (ein Eßlöffel statt eines Teelöffels) und dafür keine Paprikaschote. Oh, und mariniert wird in dieser Küche natürlich mit Vakuumunterstützung (wer kein Vakuumiergerät, dafür aber Zeit hat, kann den Krautsalat aber auch einfach über Nacht im Kühlschrank durchziehen lassen).
Ganz unbekannt war die Entomophagie auch im deutschsprachigen Raum nicht, wie aus dem 19. Jahrhundert stammende Rezepte für Maikäfersuppe beweisen. Man rechnete 30 Maikäfer pro Person und geschmeckt haben soll sie ähnlich wie Krebssuppe, also durchaus delikat. Danach aber war lange Zeit Pause mit dem Insektenessen und anders als in Mittel- und Südamerika, Asien und Afrika ist diese kulinarische Traditionslinie bei uns lange in Vergessenheit geraten.
Dabei gäbe es für das Verspeisen von Kerbtieren in einem Land mit weitgehend katholischer Sozialisation sogar ein biblisches Vorbild:
Zwischen 2005 und 2007 erschien in der Tageszeitung „Der Standard“ eine feine Serie von Klaus Hackl zum Thema Sherry. Ärgerlicherweise sind die Beiträge zwar im Online-Archiv noch zugänglich, aber nur noch sehr schwer über die seiteninterne Suchfunktion auffindbar. Damit diese Schätze nicht verlorengehen, habe ich die Links zu allen Texten der Reihe, die ich über Google ausfindig machen konnte, gesammelt.
Vor dreieinhalb Monaten ist mein Vater gestürzt. Fast zwei Wochen hat sein Körper durchgehalten, aber die Gehirnblutung ließ sich nicht stoppen. Seit damals bin ich sprachlos. Nicht im Alltag, aber hier, beim Schreiben. Der letzte Text, den ich verfaßt habe, war die Totenrede für meinen Vater.
Ich weiß nicht, ob mein Vater diesen Blog jemals zu Gesicht bekommen hat. Wahrscheinlich hätte er schon mit dem Begriff blog nichts anzufangen gewußt. Das Internet war für ihn kein Neuland, sondern terra incognita im ursprünglichen Sinn: HICSVNTLEONES. Nicht nur in dieser Hinsicht lebten wir in völlig verschiedenen Welten: Er in einem Blockhaus in den Tiroler Bergen, ich in einer Altbauwohnung in Wien.
„Lachsmousse“ nannte meine Mutter das Gericht, das bei uns ab Mitte der 1990er Jahren zu festlichen Anlässen gerne serviert wurde. In seiner Ursprungsform stammte das Rezept von einer Nachbarin, noch mit Lachsersatz und Tuben-„Majo“. So hat meine Mutter das aber zum Glück nie serviert – bei uns war die Mayonnaise stets frisch und der Räucherlachs echt. Jedenfalls war diese „Lachsmousse“ dann auch eine der ersten Speisen, die ich selbst zuzubereiten verstand. „Du mußt mir unbedingt noch dieses Rezept verraten!“ bekam ich mehr als einmal zu hören. Dabei sind Zutaten und Zubereitung geradezu genant einfach – als wären sie aus einem dieser Fünfzigerjahrekochbücher für die „gute“ (sprich: sparsame) Hausfrau entnommen.
Niemand lernt in einem Kochkurs kochen. Allein schon die Vorstellung ist absurd. Kochen ist zuallererst Handwerk. (Die Kochkunst im eigentlichen Sinn, wie sie Ferran Adrià und andere Spitzenköchinnen und ‑köche betreiben oder betrieben haben, soll für die folgenden Gedanken außen vor bleiben.) Wie jedes Handwerk ist auch das Küchenhandwerk in Wahrheit nur auf eine Art erlernbar: durch das fortwährende Tun.
Damit möchte ich natürlich nicht ausdrücken, daß das Lernen unter Anleitung den meisten Menschen nicht etwas leichter fällt. Das stimmt zweifellos. Aber auch der Lehrberuf „Koch/Köchin“ besteht eben hauptsächlich aus Tun und der Wiederholung von, ja, auch stumpfsinnigen (manche sagen: meditativen) Tätigkeiten.
Ernährungstrends beobachtend fällt mir auf, daß im Zuge steigender Beliebtheit tierfreier Gerichte und Ernährungsweisen (Hallo, Tierfreitag!) auch Lokale eröffnen, die raw food, also ungekochtes Essen, anbieten. Nach Wien, schon größenmäßig der hotspot in Österreich für pflanzliche Kost servierende Lokale, beobachte ich nun auch in Graz ein Wachstum dieses Gastronomiesegments. Als Fan von Lokalen wie z.B. dem Ginko, wurde ich vor kurzem auf Tilia’s Little Uncooked Restaurant aufmerksam. Ursprünglich ein Teil des Le Schnurrbart in der Paulustorgasse, ist das Lokal nun seit etwa einem Monat in der Klosterwiesgasse beheimatet (unweit des Jakominiplatzes).