Ganz unbekannt war die Entomophagie auch im deutschsprachigen Raum nicht, wie aus dem 19. Jahrhundert stammende Rezepte für Maikäfersuppe beweisen. Man rechnete 30 Maikäfer pro Person und geschmeckt haben soll sie ähnlich wie Krebssuppe, also durchaus delikat. Danach aber war lange Zeit Pause mit dem Insektenessen und anders als in Mittel- und Südamerika, Asien und Afrika ist diese kulinarische Traditionslinie bei uns lange in Vergessenheit geraten.
Dabei gäbe es für das Verspeisen von Kerbtieren in einem Land mit weitgehend katholischer Sozialisation sogar ein biblisches Vorbild:
καὶ ἦν ὁ Ἰωάννης ἐνδεδυμένος τρίχας καμήλου καὶ ζώνην δερματίνην περὶ τὴν ὀσφὺν αὐτοῦ, καὶ ἐσϑίων ἀκρίδας καὶ μέλι ᾄγριον.
Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften und er lebte von Heuschrecken und wildem Honig.
Insekten auf den Speiseplan
Christoph Thomann und sein Verein Speiseplan (Eigenbeschreibung: „Verein zur Bewusstseinsförderung alternativer und nachhaltiger Ernährung“) wollen das nun mit regelmäßigen Insektenverkostungsabenden in Hanni Rützlers futurefoodstudio ändern. Als Einstieg gab es Mitte Jänner für eine ausgewählte Schar einschlägig Interessierter ein viergängiges Menü, gekocht von Harald Irka (sonst in der Saziani Stub’n im steirischen Straden tätig), bei dem auch der ORF mit dabei war. (Bis 23. Feber sollte der Thema-Beitrag „Insekten auf dem Teller“ noch verfügbar sein.)
Für mich war dies nun der zweite Selbstversuch zur Insektenfresserei. Daß die (durchaus wortwörtlich zu verstehenden) Berührungsängste diesmal deutlich geringer ausfielen, lag zum Teil sicher auch an der Kochkunst Harald Irkas, aber eben nicht nur.
Ekel entsteht im Kopf
Hand aufs Herz: Wem war, zumindest wenn diese Erlebnisse nach der Pubertät stattfanden, beim ersten beef tartare, bei der ersten Auster nicht etwas mulmig zumute? Auch mit Schnecken haben viele Menschen kulinarisch ein Problem – übrigens noch so eine verlorengegangene Eßtradition. Warum also nicht Insekten essen?
Je unverarbeiteter sie mir dargeboten wurden, desto höher war die zu überwindende Hemmschwelle in meinem Kopf. Doch auch zwischen den Insektenarten gibt es Unterschiede. Heimchen essen sich leichter „pur“ als Fliegenmaden. „Schwarze Soldatenfliege“ klingt halt auch entschieden weniger heimelig. Von der Vorstellung, daß Insekten notwendigerweise crunchy wären, hatte ich mich ja schon Ende 2013 verabschiedet. Nein, die Körper der damals dargebotenen gebratenen Kleininsekten waren (ungeschält!) im Biß eher irgendwo zwischen Kaviar und kleinen Garnelen angesiedelt. Anders diesmal die frittierte Variante: Ja, knusprig geht auch. Aber halt nur knusprig, erkennbaren Eigengeschmack hatten die Mehlwürmer keinen.
… aber warum sollte man?
Die einzelnen Speisen hat Severin Corti im Standard schon schön beschrieben, geschmeckt haben sie auch mir wunderbar. Nur: Nicht nach Insekten. Oder besser gesagt, ich weiß immer noch nicht, wie Insekten schmecken. Zwischen Mairüben und Wildschwein gingen die Heuschrecken schneller unter als die Titanic. Auch den Grillen und Heimchen im Burger erging es nicht anders. Einzig der Fliegenlarvenkrokant in der Müslimischung Grubnola von LIVIN konnte mit seinem Eigengeschmack hervorstechen – allerdings halt auch nicht positiv: Irgendwie metallisch-bitter, am ehesten wie shrimp, denen der Darm nicht gezogen wurde. Sollte das so intendiert sein, definitely an acquired taste.
Auch wenn es also keine Gründe gibt, die grundsätzlich gegen den Verzehr von Insekten sprechen, so scheint es, zumindest geschmacklich, auch ganz wenige zu geben, die dafür sprechen würden. Wobei: Vermutlich kommt es bei Kerbtieren ebenso auf Sorte und Fütterung an, wie auch sonst in der Tierzucht. Nach Dänemark hab ich es leider noch nicht geschafft, aber die im Noma servierten Ameisen klingen durchaus interessant. Auch die nicht ganz kleinen Larven der im Englischen als tomato hornworm bekannten Schmetterlingsart (im deutschsprachigen Raum scheint es keinen Trivialnamen für dieses Insekt zu geben) schauen sautiert ganz ansprechend aus. Geschmacklich sollen sie – oh Wunder, bei der Ernährung! – an Paradeiser erinnern.
Eins steht jedenfalls fest: Bis man in Österreich den wöchentlichen Insekteneinkauf im Bio-Laden statt im Zoobedarf erledigen kann, wird jedenfalls noch eine ganze Menge Wasser die Donau hinabfließen.
Ein sehr lesenswerter Beitrag über Insekten in der Küche – abseits von diversen Dschungelcamp-Berichterstattungen.
Ganz toller Artikel! Über Insekten hab ich mich noch nie drübergetraut, obwohl es in Peking die eine oder andere Möglichkeite gegeben hätte…
Interessanter Artikel! Ich bin zwar schon eine ganze Weile vegetarisch unterwegs, aber davor habe ich zumindest schon mal Schnecken probiert und war damals begeistert.
Hallo, puh also ich wüsste nicht ob ich das essen könnte. Heuschreken vieleicht noch, aber diese Maden, Mehlwürmer muss ich echt nicht haben. Da man sie ja immer mit unhygienischen Zuständen verbindet ;-)
LG Tanja toller Artikel
Also, ich kann mir das echt gut vorstellen. Hab mal auf der sommerlichen Genussmeile in St. Pölten Heuschrecken gegessen und war überrascht, dass die ja in Wahrheit gar nicht mal so schlecht schmecken. (Wenn man sich mal überwunden hat.) ;)
Ja, Heuschrecken bekomm ich auch viel leichter in den Mund, als Fliegenlarven („Maden“ würde ich in diesem Zusammenhang vermeiden, da hängt doch einiges an Ekel an der Bezeichnung). Auch Kakerlaken wären schwieriger, auch wenn sie sich inwendig nur wenig von einer Grille oder einem Heimchen unterscheiden dürften.
Wobei es zum Teil nicht nur der reine Ekelfaktor ist. Ich denke da z.B. an Skorpione und andere Spinnentiere (an denen ist oft mehr dran, als unseren relativ kleinen Insekten). Da spielt dann schon auch noch eine ordentliche Portion Arachnophobie mit, obwohl so ein Skorpion ja eigentlich wie ein Hummer mit Stachel aussieht. (Wie ich gerade auf Wikipedia nachgelesen habe, sind die Krebstiere aber wesentlich enger mit den Insekten verwandt als mit den Spinnentieren.)
Anyway, letztlich ist das alles kulturelle Prägung. Ein paar Mal machen, dann kommt’s einem auch nicht mehr grauslich vor. Hat zumindest bei mir auch bei den Austern geholfen ;)
Hallo, wo kriegt man dieses Zuchtgerät? Ich kann das nicht essen, aber meine Hühner brauchen Eiweiß. Ich finde kein österreichisches Huhn sollte brasilianisches Soja fressen! Das geht mir schon lange durch den Kopf. Meine Hühner kriegen im Winter Sonnenblumenkerne dazu. Insekten sind sicher ökologischer. Mit freundlichen Grüßen Monika Schell-Wechselauer
@Monika Lieferbar wohl erst Ende des Jahres, aber via Kickstarter kann man den Hive jetzt vorbestellen.