Die Käfer, von welchen man 30 Stück für eine Person rechnet, werden, so wie sie gefangen sind, gewaschen, in einem Mörser gestoßen, in heißer Butter hart geröstet und in Fleischbrühe aufgekocht, fein durchgeseihet und über geröstete Semmelschnitten angerichtet. Ist die Bouillon auch schlecht, so wird sie doch durch die Kraft der Maikäfer ganz vorzüglich, und eine Maikäfersuppe, gut zubereitet, ist schmackhafter, besser und kräftiger als eine Krebssuppe; ihr Geruch ist angenehm, ihre Farbe bräunlich, wie die der Maikäferflügel.

Johann J. Schneider: Maikäfersuppen, ein vortreffliches und kräftiges Nahrungsmittel

Unter Insektenfressern

Ganz unbe­kannt war die Ento­mo­pha­gie auch im deutsch­spra­chi­gen Raum nicht, wie aus dem 19. Jahr­hun­dert stam­mende Rezepte für Mai­kä­fer­suppe bewei­sen. Man rech­nete 30 Mai­kä­fer pro Per­son und geschmeckt haben soll sie ähn­lich wie Krebs­suppe, also durch­aus deli­kat. Danach aber war lange Zeit Pause mit dem Insek­ten­es­sen und anders als in Mit­tel- und Süd­ame­rika, Asien und Afrika ist diese kuli­na­ri­sche Tra­di­ti­ons­li­nie bei uns lange in Ver­ges­sen­heit geraten.

Heuschrecken in einer Schüssel
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc

Dabei gäbe es für das Ver­spei­sen von Kerb­tie­ren in einem Land mit weit­ge­hend katho­li­scher Sozia­li­sa­tion sogar ein bibli­sches Vorbild:

καὶ ἦν ὁ Ἰωάννης ἐνδεδυμένος τρίχας καμήλου καὶ ζώνην δερματίνην περὶ τὴν ὀσφὺν αὐτοῦ, καὶ ἐσϑίων ἀκρίδας καὶ μέλι ᾄγριον.

Johan­nes trug ein Gewand aus Kamel­haa­ren und einen leder­nen Gür­tel um seine Hüf­ten und er lebte von Heu­schrecken und wil­dem Honig.

Insekten auf den Speiseplan

Chri­stoph Tho­mann und sein Ver­ein Spei­se­plan (Eigen­be­schrei­bung: „Ver­ein zur Bewusst­seins­för­de­rung alter­na­ti­ver und nach­hal­ti­ger Ernäh­rung“) wol­len das nun mit regel­mä­ßi­gen Insek­ten­ver­ko­stungs­aben­den in Hanni Rütz­lers future­food­stu­dio ändern. Als Ein­stieg gab es Mitte Jän­ner für eine aus­ge­wählte Schar ein­schlä­gig Inter­es­sier­ter ein vier­gän­gi­ges Menü, gekocht von Harald Irka (sonst in der Saziani Stub’n im stei­ri­schen Stra­den tätig), bei dem auch der ORF mit dabei war. (Bis 23. Feber sollte der Thema-Bei­trag „Insek­ten auf dem Tel­ler“ noch ver­füg­bar sein.)

Für mich war dies nun der zweite Selbst­ver­such zur Insek­ten­fres­se­rei. Daß die (durch­aus wort­wört­lich zu ver­ste­hen­den) Berüh­rungs­äng­ste dies­mal deut­lich gerin­ger aus­fie­len, lag zum Teil sicher auch an der Koch­kunst Harald Irkas, aber eben nicht nur.

Ekel entsteht im Kopf

Hand aufs Herz: Wem war, zumin­dest wenn diese Erleb­nisse nach der Puber­tät statt­fan­den, beim ersten beef tar­tare, bei der ersten Auster nicht etwas mul­mig zumute? Auch mit Schnecken haben viele Men­schen kuli­na­risch ein Pro­blem – übri­gens noch so eine ver­lo­ren­ge­gan­gene Eßtra­di­tion. Warum also nicht Insek­ten essen? 

Je unver­ar­bei­te­ter sie mir dar­ge­bo­ten wur­den, desto höher war die zu über­win­dende Hemm­schwelle in mei­nem Kopf. Doch auch zwi­schen den Insek­ten­ar­ten gibt es Unter­schiede. Heim­chen essen sich leich­ter „pur“ als Flie­gen­ma­den. „Schwarze Sol­da­ten­fliege“ klingt halt auch ent­schie­den weni­ger hei­me­lig. Von der Vor­stel­lung, daß Insek­ten not­wen­di­ger­weise crun­chy wären, hatte ich mich ja schon Ende 2013 ver­ab­schie­det. Nein, die Kör­per der damals dar­ge­bo­te­nen gebra­te­nen Klein­in­sek­ten waren (unge­schält!) im Biß eher irgendwo zwi­schen Kaviar und klei­nen Gar­ne­len ange­sie­delt. Anders dies­mal die frit­tierte Vari­ante: Ja, knusp­rig geht auch. Aber halt nur knusp­rig, erkenn­ba­ren Eigen­ge­schmack hat­ten die Mehl­wür­mer keinen.

… aber warum sollte man?

Die ein­zel­nen Spei­sen hat Seve­rin Corti im Stan­dard schon schön beschrie­ben, geschmeckt haben sie auch mir wun­der­bar. Nur: Nicht nach Insek­ten. Oder bes­ser gesagt, ich weiß immer noch nicht, wie Insek­ten schmecken. Zwi­schen Mai­rü­ben und Wild­schwein gin­gen die Heu­schrecken schnel­ler unter als die Tita­nic. Auch den Gril­len und Heim­chen im Bur­ger erging es nicht anders. Ein­zig der Flie­gen­lar­ven­kro­kant in der Müs­li­mi­schung Grub­nola von LIVIN konnte mit sei­nem Eigen­ge­schmack her­vor­ste­chen – aller­dings halt auch nicht posi­tiv: Irgend­wie metal­lisch-bit­ter, am ehe­sten wie shrimp, denen der Darm nicht gezo­gen wurde. Sollte das so inten­diert sein, defi­ni­tely an acqui­red taste.

Auch wenn es also keine Gründe gibt, die grund­sätz­lich gegen den Ver­zehr von Insek­ten spre­chen, so scheint es, zumin­dest geschmack­lich, auch ganz wenige zu geben, die dafür spre­chen wür­den. Wobei: Ver­mut­lich kommt es bei Kerb­tie­ren ebenso auf Sorte und Füt­te­rung an, wie auch sonst in der Tier­zucht. Nach Däne­mark hab ich es lei­der noch nicht geschafft, aber die im Noma ser­vier­ten Amei­sen klin­gen durch­aus inter­es­sant. Auch die nicht ganz klei­nen Lar­ven der im Eng­li­schen als tomato horn­worm bekann­ten Schmet­ter­lings­art (im deutsch­spra­chi­gen Raum scheint es kei­nen Tri­vi­al­na­men für die­ses Insekt zu geben) schauen sau­tiert ganz anspre­chend aus. Geschmack­lich sol­len sie – oh Wun­der, bei der Ernäh­rung! – an Para­dei­ser erinnern.

Eins steht jeden­falls fest: Bis man in Öster­reich den wöchent­li­chen Insek­ten­ein­kauf im Bio-Laden statt im Zoo­be­darf erle­di­gen kann, wird jeden­falls noch eine ganze Menge Was­ser die Donau hinabfließen.

Zweimal Heuschreck aus Karton
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc

Der Küchenmeister

Der Küchen­meis­ter arbei­tet als Infor­ma­ti­ker und dilet­tiert in sei­ner Frei­zeit am Herd und Zir­ku­la­tor. Seit eini­gen Jah­ren gilt sein beson­de­res Inter­esse den moder­nen Küchentechniken.

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8 Kommentare

  • Alex schrieb:

    Ein sehr lesens­wer­ter Bei­trag über Insek­ten in der Küche – abseits von diver­sen Dschungelcamp-Berichterstattungen.

  • Ganz tol­ler Arti­kel! Über Insek­ten hab ich mich noch nie drü­ber­ge­traut, obwohl es in Peking die eine oder andere Mög­lich­keite gege­ben hätte…

  • Thomas Rößler schrieb:

    Inter­es­san­ter Arti­kel! Ich bin zwar schon eine ganze Weile vege­ta­risch unter­wegs, aber davor habe ich zumin­dest schon mal Schnecken pro­biert und war damals begeistert.

  • Tanja Gammer schrieb:

    Hallo, puh also ich wüsste nicht ob ich das essen könnte. Heu­schre­ken viel­eicht noch, aber diese Maden, Mehl­wür­mer muss ich echt nicht haben. Da man sie ja immer mit unhy­gie­ni­schen Zustän­den verbindet ;-)
    LG Tanja tol­ler Artikel

  • Dominik schrieb:

    Also, ich kann mir das echt gut vor­stel­len. Hab mal auf der som­mer­li­chen Genuss­meile in St. Pöl­ten Heu­schrecken geges­sen und war über­rascht, dass die ja in Wahr­heit gar nicht mal so schlecht schmecken. (Wenn man sich mal über­wun­den hat.) ;)

  • Ja, Heu­schrecken bekomm ich auch viel leich­ter in den Mund, als Flie­gen­lar­ven („Maden“ würde ich in die­sem Zusam­men­hang ver­mei­den, da hängt doch eini­ges an Ekel an der Bezeich­nung). Auch Kaker­la­ken wären schwie­ri­ger, auch wenn sie sich inwen­dig nur wenig von einer Grille oder einem Heim­chen unter­schei­den dürften.

    Wobei es zum Teil nicht nur der reine Ekel­fak­tor ist. Ich denke da z.B. an Skor­pione und andere Spin­nen­tiere (an denen ist oft mehr dran, als unse­ren rela­tiv klei­nen Insek­ten). Da spielt dann schon auch noch eine ordent­li­che Por­tion Arach­no­pho­bie mit, obwohl so ein Skor­pion ja eigent­lich wie ein Hum­mer mit Sta­chel aus­sieht. (Wie ich gerade auf Wiki­pe­dia nach­ge­le­sen habe, sind die Krebs­tiere aber wesent­lich enger mit den Insek­ten ver­wandt als mit den Spinnentieren.)

    Any­way, letzt­lich ist das alles kul­tu­relle Prä­gung. Ein paar Mal machen, dann kommt’s einem auch nicht mehr graus­lich vor. Hat zumin­dest bei mir auch bei den Austern geholfen ;)

  • Monika Schell-Wechselauer schrieb:

    Hallo, wo kriegt man die­ses Zucht­ge­rät? Ich kann das nicht essen, aber meine Hüh­ner brau­chen Eiweiß. Ich finde kein öster­rei­chi­sches Huhn sollte bra­si­lia­ni­sches Soja fres­sen! Das geht mir schon lange durch den Kopf. Meine Hüh­ner krie­gen im Win­ter Son­nen­blu­men­kerne dazu. Insek­ten sind sicher öko­lo­gi­scher. Mit freund­li­chen Grü­ßen Monika Schell-Wechselauer

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