„Zitrone schmeckt mir besser.“ Mit dieser dahingesagten Kleinigkeit brachte ich mich vor ein paar Wochen ziemlich in die Bredouille, als ich die Marmeladegläser, die ich ich während der verspäteten Weihnachtsferien in der Residenzstadt erhalten und als kulinarische Kuriositäten in den calvinistisch Norden geschleppt hatte, aufmachte und mir die Marmelade, aus Ermangelung eines Briochekipferls, zwangsläufig auf ein Croissant schmieren mußte.
Zitrone schmecke mir also besser – als was denn nun – als Pomeranze, und zwar die heilige Pomeranzenmarmelade aus den feinen Früchten der Orangerie in Schönbrunn. Barockgarten, Orangerie, Pomeranzen – diese jenige Pomeranzenmarmelade kam zu einem Ausflug nach Versailles mit, bei dem ich mit zwei Gartenhistorikern mehrere Gärten Le Nôtres besichtigte – allen voran Versailles und Saint-Cloud. André Le Nôtre (1613−1700) – der große französische Gartenarchitekt, der den jardin à la française, den Barockgarten, prägte und damit mehr oder weniger zum Übervater der Profession wurde, der auch ich angehöre.
Meanwhile in Austria: Jean Trehet (ein gebürtiger Franzose, 1654 – 1740) und der Gärtner Martin Lehemayer begannen im Zuge des redesign Schönbrunns 1696 mit der Anlage des Schönbrunner Gartens. Zur Recherche reiste Trehet nach Frankreich, um einerseits die Gärten zu studieren und andererseits unterschiedliche Pflanzen für Schönbrunn zu besorgen. Neben dem Hauptparterre plante Trehet für Schönbrunn auch ein Orangeriegarten, so wie es beispielsweise auch im Vorbild das es ursprünglich zu übertreffen galt, in Versailles also, einen Teil der Gartenausstattung darstellte. In Bezug auf die Pomeranzen und Zitrusfrüchte war Frankreich diesbezüglich sozusagen front-runner, denn schon im Jahr 1644 wurde beispielsweise in Versailles unterhalb des südlichen Parterres eine südorientierte Orangerie mit davorliegendem Orangerieparkett errichtet, um die aus Vaux-le-Vicomte „übernommenen“ Zitrus- und Orangenbäumchen unterzubringen (vgl. Keller, 1976). Die Orangerie, die man heute in Versailles sieht, beherbergt einen 155 m langen Mittelflügel und wurde von Jules Hardouin-Mansart in den 1680er Jahren gebaut. Die großen Fenster bieten Licht, bei möglichen Hitzestau ist die Orangerie belüftbar und im Fall eisiger Kühle auch beheizbar.
Die große Schönheit dieser kostbaren Pflanzen läßt sich nicht in Worte fassen. Sie rührt her von dem unvergänglichen und glänzenden Grün ihres Blattwerks und von den guten Eigenschaften ihrer Früchte, die entgegen der Neigung aller anderen die längste Zeit des Jahres über am Baum bleiben. Und es vermehrt die Anmut, daß man zugleich, am selben Stamm, kleine, mittlere und große Früchte sieht, daß sogar Blüten sie lange Zeit hindurch begleiten und dem Ort, wo sie stehen, den lieblichsten Duft verleihen. Diese herrlichen Bäume in einem ihrer Natur feindlichen Klima zu ziehen, ist wahrscheinlich die Lust der Fürsten und großen Herren. Darin die Großartigkeit zu bewundern ist leichter, als sie nachzuahmen.
Die Bäumchen wurden unter anderem in Kübeln gezogen und während der Sommersaison am Orangerieparkett auf- und ausgestellt. „Wenn die Luft mild ist, kann man die Gärten mit Kübeln (caisses) von Orangen- und Granatapfelbäumen, Jasmin, Oleander usw. schmücken. Man macht daraus Alleen oder stellt Vasen mit verschiedenen Blumen im Wechsel mit den Kübeln an die Ecken der Parterrefelder und Beete.“ (d’Aviler, 1691 in Wimmer, 1989:117). Der Einfluß Le Nôtres, einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Garten- und Landschaftsarchitekt, war also auch in der Residenzstadt prägend – französischer chic am Wiener Hof.
Die Pomeranzenmarmelade am Croissant ergibt also Sinn und professionsgeschichtlich kann man bei einem Kaffee und ein paar Büchern über die Orangen- und Zitronenbäumchen und Gartengeschichte einen Sonntag ausgezeichnet vorüberziehen lassen. Danke André.
Quellen und anderes zum Schmökern
- Bouchenot-Dechin, P.; Farhat, G. (2013): Le Notre in Perspective. Yale University Press.
- Frohmann, E.; Doblhammer, R. (2005): Schönbrunn – Eine vertiefende Begegnung mit dem Schlossgarten. Ennsthaler Verlag.
- Hennebo, D.; Hoffmann, A. (1963): Geschichte der deutschen Gartenkunst in drei Bänden: Gärten des Mittelalters – Der architektonische Garten (Renaissance und Barock) – Der Landschaftsgarten. Broschek-Verlag.
- Hyams, E. (1971): A History of Gardens and Gardening. Praeger Publishers.
- Keller, H. (1976): Kleine Geschichte der Gartenkunst. Paur Parey.
- Wimmer, C.A. (1989): Geschichte der Gartentheorie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt.
Zitronenmarmelade getestet und für himmlisch befunden am Croissant, als Fülle eines feines Biscuits und als Topping einer Panna cotta. Die Pomeranzenmarmelade schmeckt überirdisch am Croissant und als Fülle hauchdünner Palatschinken.
Meyer-Zitronenmarmelade
- Vorbereitung: 24 Std.
- Koch-/Backzeit: 1 Std. 30 Min.
- Wartezeit: 30 Min.
- Fertig in: 1 Tag 2 Std. 0 Min.
Meyer-Zitronenmarmelade im Stile der Pomeranzenmarmelade von esskultur.at respektive Dan Lepard. Der Küchenmeister hat das Rezept zeitoptimiert. Wer keine Meyer lemons bekommt: Die Technik funktioniert auch mit allen anderen Zitrusfrüchten, die Marmelade schmeckt aber natürlich jeweils anders.
Zutaten
- 2 kg Meyer-Zitronen nur bio, weil wir die Schale verwenden
- 4 kg Kristallzucker
- Wasser nach Bedarf
Zubereitung
- Die Meyer-Zitronen heiß waschen und mit einer nicht zu harten Bürste ordentlich abschrubben. (Die Öldrüsen sollen möglichst nicht verletzt werden.)
- Mit einer Mandoline oder einem V‑Hobel feine Stifterln aus den Schalen schneiden, ohne aber bis zum Fruchtfleisch vorzustoßen (das heißt es soll noch Albedo auf der Frucht verbleiben – im Bild ist es übrigens eine Orange, falls sich jemand wundert, vom Zerschnipseln der Meyer-Zitronen gibt es keine Photos).
- Die „geschälten“ Meyer-Zitronen sorgfältig auspressen und den Saft durch ein Sieb über die Schalenstifterln gießen. Falls notwendig, mit Wasser auffüllen (die Zesten sollen knapp bedeckt sein). Schüssel mit einem Deckel oder mit Frischhaltefolie abdecken. Die ausgepreßten Albedoreste, Kerne und was beim Sieben des Zitronensafts übrig geblieben ist, in einer zweiten Schüssel ebenfalls knapp mit Wasser bedecken. Auch diese Schüssel verschließen. 24 Stunden (jedenfalls aber über Nacht) stehen lassen. (Falls es nicht zu warm ist, geht das auch bei Zimmertemperatur. Dann allerdings wirklich maximal einen Tag, sonst kann es leicht zu schimmeln beginnen.)
- Schalen und Saft in einen Druckkochtopf umfüllen. Das Wasser aus der „Abfall“-Schüssel vorsichtig durch ein feines Sieb (oder wie hier: einen Superbag) gießen. Die Albedoreste, Kerne etc. in ein Etamin oder eben den Superbag geben und das Bündel mit kochfestem Zwirn gut verschnüren und ebenfalls in den Druckkochtopf geben. Unter hohem Druck 30 Minuten kochen lassen (zwei Striche am Ventil, die Zeit beginnt natürlich erst zu laufen, wenn der Druck erreicht ist). Nach der Kochzeit den Druckkochtopf unter fließendes kaltes Wasser stellen, um ihn rasch öffnen zu können. Den Beutel mit den Kernen und Abfällen herausnehmen und auf einem Teller eine Viertelstunde überkühlen lassen.
- Für den folgenden Schritt zieht man sich am besten Handschuhe an. Den (immer noch heißen!) Beutel mit den Zitrusresten gilt es nun zu massieren, damit das enthalten Pektin durch die Löcher quillt. Dann muß man es einerseits vom Superbag/Etamin und andererseits von den Händen abstreifen. Eindeutig der elendste Tschoch an der Marmeladekocherei. In einer Schüssel gesammelt sieht das Pektin etwas unanständig aus. Man braucht schon eine ganze Menge, aber man merkt eh schnell, wenn die Masse zu stark abgekühlt ist und sich kein Tröpfchen mehr hervormassieren läßt.
- Das Pektin zu Saft/Schalen/Wasser geben. Den Zucker zugeben (Achtung auf die Topfgröße – man sollte die Zuckermenge nicht unterschätzen!) und unter vorsichtigem Umrühren aufkochen lassen. Vorsicht, schäumt! Abschöpfen ist nicht nötig, der Sirup klärt sich rasch von selbst. Ab und zu umrühren.
- Marmelade köcheln lassen, bis die Temperatur 105 °C erreicht (vor dem Messen umrühren!). Jetzt geht dann alles sehr rasch: Weiterköcheln lassen, bis die Marmelade ein zweites Mal aufschäumt. Herd sofort abdrehen (gegebenfalls Gelierprobe machen, aber wenn die Temperatur erreicht ist und das zweite Aufschäumen beginnt, sollte alles passen). Marmelade 10 Minuten am Herd stehen lassen (damit wird eine gleichmäßige Verteilung der Schalenstücke erreicht, da die Marmelade durch das Abkühlen schon etwas anzieht in der Zeit).
- Nun die fertige Marmelade in ausgekochte Gläser abfüllen und verschließen. Wer mag, kann vor dem Verschließen einen Teelöffel Pomeranzenliqueur auf die Marmelade gießen und anzünden. Gläser über Nacht auskühlen lassen. (Offiziell heißt es „Nicht bewegen!“ und „Ja keine Zugluft!“, so lang die Gläser nicht unmittelbar neben dem offenen Fenster zu stehen kommen, passiert aber nichts.)
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