Zur Dankbarkeit, im Wirtshaus

Gedeckter Tisch im Gasthaus zur Dankbarkeit in Podersdorf
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc
Nach den Schwei­nen aus der Hölle hat­ten wir uns eine Stär­kung ver­dient. Zur Wahl stan­den zwei Lokale: Das Press­haus in Ill­mitz und das Gast­haus zur Dank­bar­keit in Poders­dorf. Die Wahl fiel uns nicht leicht – wir hat­ten in bei­den in der Ver­gan­gen­heit gut geges­sen und auch der als Ent­schei­dungs­hilfe her­an­ge­zo­gene Gault-Mil­lau führt beide Lokale mit iden­ter Punk­te­wer­tung. Schließ­lich gab die län­gere Zeit­spanne, die seit unse­rem letz­ten Besuch in der Dank­bar­keit ver­stri­chen war, den Ausschlag.

Eigent­lich hatte ich vor, ein Menü zu bestel­len. Manch ein Koch hat das Menü für tot erklärt, aber mir sind viele kleine Häpp­chen lie­ber als wenige große Gerichte. Die Dank­bar­keit ist lei­der auch so ein Lokal ohne Menüs. Immer­hin gibt es die Mög­lich­keit, eine kleine Por­tion der Haupt­speise um zwei Drit­tel des Voll­prei­ses zu bestel­len. Die Ant­wort des Kell­ners, wie groß man sich denn so eine „kleine Por­tion“ vor­stel­len dürfe, war nicht wahn­sin­nig hilf­reich: „Circa zwei Drit­tel halt“. Zwei Drit­tel von was? „Von einer vol­len Por­tion“. Danke, soweit war ich auch schon.

Das Vorblatt der Speisekarte im Gasthaus zur Dankbarkeit bekennt sich zur regionalen Herkunft der Zutaten
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc
Posi­tiv dage­gen, daß sich Patron Josef Lentsch schon im Vor­wort der Spei­se­karte zur regio­na­len Her­kunft der Zuta­ten bekennt. Nur: Sind wir in der Gastro­no­mie schon soweit, daß „Käse und Milch­pro­dukte […] von der NÖM“ als beson­de­res Qua­li­täts­merk­mal gel­ten kön­nen? Aber gut, anderswo erhält man auch sol­che Infor­ma­tio­nen nicht, die Ehr­lich­keit spricht für die Dank­bar­keit. Dank­bar sind wir über den Gruß aus der Küche, pikan­tes Papri­ka­wür­stel, grü­ner Kür­bis­kern­auf­strich und wohl die letz­ten fri­schen Para­dei­ser der Sai­son sind gerade das rich­tige für den ersten Hunger.

Amuse gueule: Paprikawürstel, Kürbiskernaufstrich, Paradeiser
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc
Zügig kom­men dann unsere Vor­spei­sen: Kür­bis­creme­suppe für den zwei­ten Herrn am Tisch, eine etwas eigen­wil­lige Paradeiser-„Cremeschnitte“ mit hell­grü­nen Spi­nat­pü­ree­tup­fern (die genaue Bezeich­nung war nicht rekon­stru­ier­bar, aber die Gärtnerin hatte sich’s etwas anders vor­ge­stellt) und, ganz klas­sisch, der berühmte Jid­di­sche Hüh­ner­le­ber­auf­strich für mich. Wahn­sin­nig gut und auch wahn­sin­nig viel – sollte man nur bestel­len, wenn man sonst nicht mehr ißt oder zumin­dest zu zweit ist.

Mangalitzawürstel mit Paradeiserkraut
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc
Als näch­stes dann mein Zwi­schen­gang, pas­send zum vor­an­ge­gan­gen Aus­flug. Die Manga­litza­wür­stel mit Para­dei­ser­kraut waren dann sehr, sehr gut. Schon def­tig, aber durch die Fruch­tig­keit des Para­dei­ser­krauts nicht zu sehr. Nicht alle am Tisch woll­ten kosten. Die Fer­kel und so. Bis hier­her war der Ser­vice auf­merk­sam und die Spei­sen­folge (fast zu) zügig gewesen.

Das sollte sich nun ändern. Unser „Feh­ler“ war ver­mut­lich das ein­same Zwi­schen­ge­richt – von die­ser Unter­bre­chung des Rhyth­mus erholte sich die Ser­vice­mann­schaft nicht mehr. Obwohl wir mehr­mals Getränke nach­be­stell­ten, fragte uns nie­mand, ob wir denn noch etwas zu essen bekom­men wür­den. Nach einer guten hal­ben Stunde frag­ten wir das erste Mal nach, wie lang es denn noch in etwa dau­ern würde mit den Haupt­spei­sen, da einige Mit­spei­sende doch noch eine län­ger Fahrt vor sich hät­ten. Nach Rück­frage in der Küche wurde uns lapi­dar mit­ge­teilt, daß es „schon noch ein biß­chen“ dau­ern würde.

Nach wei­te­ren zehn Minu­ten und einer wei­te­ren Nach­frage kam dann ein bedeut­sam aus­se­hen­der Herr an unse­ren Tisch (wohl der Patron, vor­ge­stellt hat er sich nicht): Wir soll­ten doch quasi dank­bar sein, diese „Zeit mit der Fami­lie gewon­nen“ zu haben und über­haupt müsse man mehr die Seele bau­meln las­sen kön­nen. Auch der Ein­wand, daß die Fahrt nach Graz halt noch weit wäre und man das gerne bei Tages­licht schaf­fen würde, konnte ihm kein Wort des Bedau­erns über das offen­kun­dige Ver­ges­sen unse­rer Bestel­lung entlocken.

Ins­ge­samt haben wir dann fast eine Stunde auf die Haupt­spei­sen gewar­tet. Auch wenn (bis auf das etwas fade Pasta­ge­richt, das einer am Tisch bestellt hatte) die Gerichte ohne Fehl und Tadel waren – ich habe schon bei bes­se­rer Stim­mung geges­sen. Die Qua­li­tät der Küche ist halt nicht alles, auch wie man mit bestimm­ten Situa­tio­nen umgeht, beein­flußt das Gesamt­erleb­nis ent­schei­dend. Gegen den Wels mit Brat­erd­äp­feln, die Wild­ente mit Kür­bis­pü­ree und Ser­vi­et­ten­knö­del und das Reh mit Lin­sen und Erd­äp­fel­nockerl war nichts ein­zu­wen­den, aber ich kann mich beim besten Wil­len nicht mehr erin­nern, wie sie geschmeckt haben. Hübsch waren sie jeden­falls, das bewei­sen die Photos.

Gebratener Wels auf Braterdäpfeln und Gemüse
Wels auf Braterdäpfeln
Wildente mit Kürbispüree und Serviettenknödel
Wild­ente mit Kür­bis­pü­ree und Serviettenknödel
Gebratenes Reh mit Linsen und Erdäpfelnockerl
Reh mit Lin­sen und Erdäpfelnockerl

Zum Nach­tisch teil­ten wir uns dann noch drei Des­serts. Eine mousse au nou­gat mit mari­nier­ten Zwetsch­ken und zwei­mal Stru­del (ich glaube es war Top­fen-) mit (Zimt?)-Par­fait.

Inklu­sive zwei Glä­sern Wein (OK, es war der teu­er­ste offene Wein) und zweier caffè cor­retti haben wir zu viert 165,50 Euro bezahlt. Für die Küchen­lei­stung sehr in Ord­nung, in der Gesamt­be­trach­tung wird es näch­stes Mal aber doch wie­der das Press­haus werden.


Der Küchenmeister

Der Küchen­meis­ter arbei­tet als Infor­ma­ti­ker und dilet­tiert in sei­ner Frei­zeit am Herd und Zir­ku­la­tor. Seit eini­gen Jah­ren gilt sein beson­de­res Inter­esse den moder­nen Küchentechniken.

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