Der Seewinkel ist eine eigenwillige Landschaft: brettleben und zumindest aus der Sicht von Stadtmenschen eher spärlich besiedelt. An trüben Herbsttagen kann da leicht das Bedürfnis entstehen, sich zum Schutz vor der vielen Gegend in den eigenen Weinkeller zurückzuziehen. Über den verfügt im Seewinkel glücklicherweise eigentlich jede Familie – und manche wohl auch über mehrere davon. Natürlich leben nicht alle vom Weinbau, aber so ein bisserl nebenbei … Ein lohnendes Ziel für Rot- wie Süßwein-Afficionados.
Auch die Gärtnerin und ich kommen einmal im Jahr hierher, um unsere Weinvorräte aufzufüllen. Oder besser: um einen ordentlichen Weinkeller erst einmal aufzubauen. Von der in Österreich üblichen Jungweintrinkerei halte ich nämlich gar nichts. Egal ob „Steirischer Junker“ oder, wie dieses Traubenmosterzeugnis hier genannt wird, „Alpha“ – sie können mir alle gestohlen bleiben. (Ganz generell darf Wein gerne länger liegen – im Faß oder in der Flasche, am besten beides. Aus meiner Sicht gilt das nicht nur für die Roten, ich gebe aber gerne zu, daß gut gereifte Weißweine nicht jedermanns Sache sind.)
Nachdem des schon ein paar Jahre so läuft, haben wir natürlich schon unsere Lieblingswinzerinnen und ‑winzer (und auch das eine oder andere kulinarische Ziel abseits des Weinanbaus). Allfällige Geheimtips nehmen wir trotzdem gerne entgegen :) Hier also die Höhepunkte der heurigen Tour durch das wilde Burgenland.
Weingut Schwarzbauer
Mit nur 5 Hektar bewirtschafteter Fläche gehört die Familie Schwarzbauer in Illmitz zu den klassischen Nebenerwerbswinzern. Was das Weingut von anderen unterscheidet, ist die „angehängte“ Marmeladeproduktion. Michaela Schwarzbauer stellt in handwerklichen Kleinserien Marmelade her. Neben Klassikern wie Hagebutte, Paprika-Chili und Zwetschke mit Balsamico-Essig probiert sie auch immer wieder ungewöhnlichere Kombinationen aus. Heuer zum Beispiel Mohn-Erdäpfel – quasi Mohnnnudeln im Glasl.
Seit Sohn Philipp als jüngster Kellermeister in Illmitz mitmischt, sind die Flaschenetiketten deutlich fescher geworden. Der für sein Geld wirklich phantastische Pinot noir hat letztes Jahr zwar um ein Drittel im Preis angezogen, mit 8 Euro ist er aber immer noch sehr leistbar. Auch die neue Rosé-Variante des Blauburgunders wußte zu gefallen. Wenn der Liefertermin nicht zeitkritisch ist, wird auch in Wien zugestellt.
Anita & Richard Goldenits
Eine Empfehlung des Wirts, als wir vor einigen Jahren ausnahmsweise nicht in Illmitz, sondern in Frauenkirchen nächtigten. Anita und Richard Goldenits aus Tadten sind wohl so etwas wie ein up-and-coming-Weingut. Noch nicht der ganz große Name (und der entsprechende Preisaufschlag), aber mit großer Professionalität und unbedingtem Willen zur Qualität haben sie sich schon einige Prämierungen erarbeitet und einen entsprechenden Kundenstock auch in der Gastronomie erarbeitet. Moderner Weinbau, aber ohne zweifelhafte Abkürzungen. Die Umstellung auf biologische Landwirtschaft ist mittlerweile fast vollständig abgeschlossen: Alle Weiß- und jahrgangsbedingt knapp die Hälfte der Rotweine stammen aus zertifiziert biologischem Anbau. (EU-weite Vorgaben für eine ökologische Kellereiwirtschaft, die eine Zertifizierung von „Bioweinen“ ermöglichen, wurden erst im März dieses Jahres beschlossen.)
Die beiden produzieren ein breites Spektrum an Weinen. Bei den Weißen sticht der trotz seiner Jugend sehr runde Meßwein 2011 hervor. Ein Chardonnay, der sowohl die Casual-Weißweintrinkerin wie im Kücheneinsatz erfreuen kann. Auch der (Verkostungsnotiz) „süffige“ Sämling Frizzante (der leichter schmeckt als er mit 11,7 % Vol. ist) fand als „Frühstückswein“ seinen Weg auf meine Einkaufsliste.
Der Schwerpunkt des Goldenits’schen Œuvres liegt jedoch eindeutig auf den Rotweinen. Hervorhebenswert:
- St. Laurent Prädium 2009 – „intensive Walderdbeere, Pinot-Stinkerl“
- Cabernet Sauvignon 2009 – „Tannine! Lagern!“
- Best of ’09, eine Cuvée aus Zweigelt, Syrah und Cabernet Sauvignon. Der Name ist Programm, als Verkostungsnotiz ist nur „Oh ja!“ eingetragen ;-)
Ein Süßwein, der Chardonnay 2007 Trockenbeerenauslese kam dann auch noch mit. Die Hauszustellung nach Wien ist trotz Ab-Hof-Preis kein Problem.
Angerhof Tschida
Nach vier Jahren Abstinenz haben wir auch heuer auch wieder bei einem der beiden „Süßweinkaiser“ von Österreich vorbeigeschaut, beim Angerhof Tschida. Nur ein paar Tage vor unserem Besuch ist Hans Tschida in London zum dritten Mal in Folge als Sweet Winemaker of the Year ausgezeichnet worden – bis zum Schluß war daher fraglich, ob sich unser Verkostungstermin denn wirklich ausgehen würde. Hat aber dann doch geklappt, die Feierlichkeiten fanden schon einen Tag früher statt.
Was soll ich über die Tschida’schen Weine schreiben, das nicht eh schon in einer der zahlreichen Weingazetten zu lesen ist? Ein paar durchaus anständige Rotweine haben wir verkostet, vor allem aber Beeren- und Trockenbeerenauslesen auf Weltniveau. Naturgemäß, aber trotzdem leider, auch preislich, ein paar Flascherln haben es aber auch so in meinen Koffer geschafft. (Geliefert wird – jedenfalls für Privatkunden unserer Abnahmemengenklasse – nicht.)
TschidaChili
Ein weiterer Tschida aus Illmitz (allfällige Verwandschaftsbeziehungen sind mir nicht bekannt) versorgte uns mit echt scharfen Sachen. Der 21-jährige Maschinenbaustudent Jan Tschida zieht und verarbeitet nebenbei am Hof seiner Eltern allerlei Chilisorten. Aufmerksam auf ihn wurden wir durch einen Bericht im über das zweite Waldviertler Chili-Festival im Online-Standard. Unter seiner Marke TschidaChili vertreibt er neben Chilisaucen, ‑pasten und ‑salsas die scharfen Früchte auch in Salz- und Pulverform. Unser Favorit war jedenfalls eindeutig die „Simsala Salsa“ mit gerösteten Paradeisern und Orangen – perfekt zu Nachos oder geröstetem Weißbrot!
Erich Stekovics
Erich Stekovics und sein „Paradies der Paradeis“ in Frauenkirchen sind mittlerweile wohl allen kulinarisch interessierten Menschen zwischen Sopron und Semmering ein Begriff. Eingelegte Paradeiser, Paprika und andere Spezialitäten (Umurken! „Mieze Schindler“-Marmelade!) gibt es ganzjährig zu kaufen, aber Knoblauch gibt es nur im Herbst. Richtigen österreichischen Knoblauch, der als schmucker Zopf zumindest bis ins Frühjahr hält (zumindest vor drei Jahren war das so, im Jahr darauf leider nicht – für die heurige Ernte hab ich natürlich noch keine aussagekräftigen Erfahrungen). Im Frühjahr könnte man auch Paradeiser- und Chilipflanzen erwerben, dazu hat’s uns aber noch nie rechtzeitig ins Burgenland verschlagen.
Was sich leider ebenfalls noch nie ergeben hat: Die Teilnahme an einer der „Plantagenführungen“. Von Anfang Juli bis Anfang September kann man sich vom Paradeiserkaiser persönlich durch seine Felder führen lassen (und natürlich verkosten). Ohne Reservierung geht allerdings nichts und ganz billig sind die mehrstündigen Ausflüge auch nicht (45 Euro, wobei man 15 Euro als Warengutschein retour erhält). Blöderweise sind wir traditionell immer eine oder zwei Wochen zu spät dran für die Führungen. Letztes Jahr wär sich’s dann fast ausgegangen. Die Gärtnerin und ich hatten Mitte August sogar schon reserviert, aber bei 30 °C im Schatten war die Aussicht auf ein kühles Bad im nahegelegenen Schotterteich dann doch verlockender als eine dreistündige Feldbegehung. Vielleicht klappt es ja nächstes Jahr!
Meister Karlo und die kleinen Schweinchen
Was fehlt noch in diesem kleinen Erlebnisbericht? Ah ja. Die Viehzucht und Fleischproduktion in großem Stil ist hier am Rande der pannonischen Tiefebene nicht das Thema, ein paar feine lokale Spezialitäten gibt es aber schon. Abgesehen von den Martinigansln (für die es Anfang September aber noch ein bißchen früh war), wären da zum Beispiel die Produkte vom Grauen Steppenrind und vom Mangalitzaschwein zu nennen, die die Traditionsfleischerei Karlo herstellt.
Der Hauptsitz der Fleischerei Karlo liegt in Pamhagen nahe der ungarischen Grenze, wir haben die Filiale in Illmitz besucht. Vorgeschnittene Schnitzel und dergleichen gibt es hier nicht, jede Fleischbestellung wird frisch abgeschnitten von den großen Trümmern, die in der rückwertigen Kühlvitrine hängen. Nachdem wir als Pensionsgäste mit rohem Fleisch nicht so viel anfangen konnten, haben wir uns mehr auf die angebotenen Selch- und Wurstwaren konzentriert. Der Mangalitzaspeck wurde gleich an Ort und Stelle verkostet: Das Fett zergeht förmlich auf der Zunge – eine großartige Jause!
Nur blöd, daß ich den Großeinkauf einen Tag aufgeschoben habe, denn da war vom Karreespeck nur noch das Randstück übrig. Nationalpark‑, Puszta- und andere Würstel gab es aber noch genug, so daß wir eine Woche später eine kleine Verkostung veranstalten konnten.
Zum Abschluß unserer Reise besuchten wir das Freigehege der Nationalpark-Mangalitzaschweine in der Hölle, einem Illmitzer Ortsteil. „Wir mußten durch die Hölle gehen“, wortwörtlich. Mangalitzaschweine sind Fettschweine, wie wir schon am Speckquerschnitt oben sehen konnten. Mit ihrem dichten Fell sind sie besonders gut an die Freilandhaltung angepasst. Aus der Distanz könnten man die Schweine fast für Schafe halten (die „Wolle“ ist beim Angreifen aber deutlich weniger flauschig).
Nach dieser kurzen Wanderung war es schon fast wieder Zeit für die Heimreise. Vorher konnten wir uns allerdings noch im Gasthaus zur Dankbarkeit stärken. Von diesem Lokalbesuch demnächst mehr.
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