Jedenfalls: Roman von Simply4Friends hat mich kürzlich um ein paar Literaturtips zum Thema sous-vide gebeten und hier sind sie (ein bißchen multimedial aufgepeppt ;-)).
Online
- Einer der Vorreiter war sicher der Mathematiker Douglas Baldwin, der sein A Practical Guide to Sous Vide Cooking seit 2008 laufend aktualisiert (momentaner Versionsstand: 0.4i). Wissenschaftlich Interessierte finden darin neben neben vorberechneten Tabellen zu Gar- und Pasteurisierungszeiten auch die verwendeten Formeln. Wenn man den Anhang The Mathematics of Sous Vide aber beiseite läßt, braucht man keinen PhD, um seine Ausführungen zu verstehen. Die Vorversion 0.4h steht auch als PDF in deutscher Sprache zur Verfügung. Besonders wichtig sind die erwähnten Tabellen, die Lektüre ist jedoch ganz generell zu empfehlen!
- Die Tabellen sind wichtig, habe ich geschrieben? Das stimmt nicht mehr: Die Tabellen waren wichtig. Now there’s an app for that! Zumindest für iOS umfaßt SousVide Dash alles, was man sich von einem Sous-vide-Helferlein wünschen kann: Berechnung der Gar- und Pasteurisierungszeiten abhängig von Gargut, Form und Dicke, Wassertemperatur und sogar vom verwendeten Wasserbad! Kombibackrohre finden leider noch keine spezielle Berücksichtigung, aber das den Berechnungen zugrundegelegte Physikmodell ist vollständig anpaßbar. Der Entwickler ist Anregungen gegenüber sehr aufgeschlossen – eine Kontaktaufnahme könnte sich daher lohnen!
- Chris Young, Grant Lee Crilly und Ryan Matthew Smith, drei ehemalige Mitglieder des „Modernist Cuisine“-Teams, haben mit der kostenlosen Website Chefsteps.com schon viele großartige Rezepte und Techniken vorgestellt. Den Beginn machte ihr video-unterstützter Sous-vide-Kurs – derzeit leider auch nur in englischer Sprache verfügbar, aber dank CC-BY-NC-SA-Lizenz könnte auch das sich noch ändern.
- Nie fertiggestellt wurde leider Dave Arnolds Low-Temperature and Sous-Vide Primer. Trotzdem lohnt sich ein Blick in die bestehenden Kapitel. Aktueller als sein Blog Cooking Issues ist die gleichnamige Radiosendung auf Heritage Radio Networks, die als Podcast zur Verfügung steht (auch im iTunes-Store).
- Und dann wäre da natürlich noch der Diskussionsstrang, mit dem alles begonnen hat: Sous Vide: Recipes, Techniques, & Equipment auf eGullet.org. Seit 2004 wird hier leidenschaftlich und meist auf hohem fachlichem Niveau über sous-vide debattiert. Auch Nathan Myhrvolds opus magnum, Modernist Cuisine, nahm hier seinen Ausgang. Mittlerweile mußte der thread aufgespalten werden, um die Foren-Software nicht zu überfordern. Um in den tausenden Nachrichten nicht vollends den Überblick zu verlieren, haben fleißige Moderatorinnen und Moderatoren die Diskussionsthemen bis 2011 beschlagwortet und mit einem Inhaltsverzeichnis versehen.
Auf toten Bäumen
Ein caveat zu den gedruckten Werken: ich besitze keine deutschsprachige Literatur zum Thema. Die amerikanischen Autoren waren schneller und spätestens nach Modernist Cuisine war mein Bedarf an Basiswissen dann einfach gedeckt. Generell habe ich mir zum Sous-vide-Garen aber mehr aus den verlinkten Foren und Blogs angelesen, als aus Büchern. Was nicht heissen soll, daß sie nicht lesenswert wären.
- Eines der ersten allgemein verfügbaren (das heißt, nicht nur auf Spanisch oder Französisch erschienenen) Bücher zu sous-vide war Under Pressure von Thomas Keller. Neben einigen wunderschönen Photographien (beim Titelbild handelt es sich übrigens um Rhabarber) enthält es eine Reihe von sehr guten, modernistisch präsentierten Rezepten. Leider haben sich im Text wohl die Rechtsanwälte durchgesetzt – ich kann und will nicht glauben, daß Kellers Restaurant French Laundry Fleischstücke mit diesen Gartemperaturen serviert. Trotzdem würde ich es wohl wieder kaufen – allein schon wegen des Rezepts für Artischocken barigoule.
- Douglas Baldwin habe ich ja schon weiter oben erwähnt. Wenn man sich mit dem Thema noch gar nicht befaßt hat, ist sein gedrucktes Buch Sous Vide for the Home Cook keine schlechte Investition, aber wer schon den A Practical Guide to Sous Vide Cooking gelesen hat, braucht es eigentlich nicht. Die wichtigen Tabellen gibt es ja online, die Rezepte sind halt eher auf die Kochgewohnheiten in US-amerikanischen Haushalten hin orientiert. Die Präsentation ist eher spartanisch, dafür ist der Preis niedrig.
- Wer zumindest ansatzweise verstehen will, warum gewisse Küchentechniken funktionieren, kommt an Modernist Cuisine nicht vorbei. Das gilt natürlich besonders für das Kapitel zu sous-vide – denn eigentlich hat Nathan Myhrvold sein Projekt hauptsächlich deshalb gestartet, weil er mit der vorhandenen Literatur dazu nicht zufrieden war. Die Techniken sind solide recherchiert und getestet und lassen sich (was sous-vide anlangt) fast alle auch in Privatküchen einsetzen. (Gelegentlich muß man sich allerdings den flüssigen Stickstoff wegdenken und für die plated recipes sollte man eine Küchenbrigade einplanen.) Die Querschnittsphotographen/-graphiken sind atemberaubend und anschaulich zugleich, das separate Kitchen Manual in Ringbindung sollten sich andere Kochbücher abschauen.
- Letztes Jahr ist dann mit Modernist Cuisine at Home quasi die abgespeckte Fassung für den Heimgebrauch. Anders als in Modernist Cuisine wird nicht stillschweigend eine Kammervakuummaschine vorausgesetzt – die Erklärungen zum Wie und Warum sind allerdings naheliegenderweise ebenfalls geschrumpft. Die Rezepte deutlich einfacher nachzukochen, die Techniken an sich ident. Bezüglich der Rezepte gibt es eine teilweise, aber nicht vollständige Überschneidung zum „Hauptwerk“ – insbesondere das Kapitel zu custards gibt es in Modernist Cuisine so nicht. Die Ausstattung ist eine Spur weniger luxuriös (der Schuber ist aus Karton statt Acrylglas), aber auch hier gibt es wieder das praktische Kitchen Manual. Wenn ich mich für eines der beiden Bücher entscheiden müßte, würde ich aber zur großen Ausgabe greifen.
- Annähernd gleichzeitig mit MC@H erschienen, ist Heston Blumenthal at Home deutlich preisgünstiger. Auch hier gibt es Erklärungen zum Warum, allerdings deutlich kompakter und ohne umfangreiches Tabellenmaterial. Als Einführung in moderne Küchentechniken keine schlechte Wahl, das Sous-vide-Kapitel ist mit fünf Seiten aber recht kurz.
Soweit eine kurze Bestandsaufnahme meiner häufig benutzten Quellen für alles, was mit sous-vide zu tun hat. Vielleicht findet irgendwann doch noch einmal das eine oder andere deutschsprachige Buch den Weg in meine Bibliothek (Heiko Antoniewicz würde mich interessieren) – im Fall des Falles werde ich die Liste natürlich ergänzen. Über Empfehlungen und eigene Erfahrungen mit den Büchern und Blogs würde ich mich jedenfalls sehr freuen!
Vielen Dank, Peter, für diese tolle Aufbereitung und Rundumbllick in Sachen Literatur. TOP!