Eine kleine Sous-vide-Bibliographie

Einhängethermostat auf 55 °C eingestellt
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc
Knapp ein Jahr ist es jetzt her, daß ich mei­nen Sous-vide-Vor­trag am Food­camp Vienna gehal­ten habe. Inzwi­schen beschäf­ti­gen sich immer mehr Küchen­ama­teu­rin­nen und ‑ama­teure mit die­ser Gar­me­thode – und die Küchen­ge­rä­te­her­stel­ler zie­hen nach. Nur die Gebrauchs­an­lei­tun­gen und Rezepte las­sen bei die­sen Heim­ge­rä­ten meist zu wün­schen übrig. Sei es, weil man den Kon­su­men­tin­nen und Kon­su­men­ten nicht „zu viel“ zumu­ten will (Schweins­fi­let medium rare), weil man Angst vor Kla­gen hat und hygie­ne­tech­nisch auf abso­lu­ten over­kill setzt oder weil sich die Gerä­te­her­stel­ler selbst nicht so genau aus­ken­nen. (Ich ver­mute ja eine Mischung die­sen drei Faktoren.)

Jeden­falls: Roman von Simply4Friends hat mich kürz­lich um ein paar Lite­ra­tur­tips zum Thema sous-vide gebe­ten und hier sind sie (ein biß­chen mul­ti­me­dial aufgepeppt ;-)).

Online

Spargelstangen werden vakuumiert
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc
  • Einer der Vor­rei­ter war sicher der Mathe­ma­ti­ker Dou­glas Bald­win, der sein A Prac­ti­cal Guide to Sous Vide Coo­king seit 2008 lau­fend aktua­li­siert (momen­ta­ner Ver­si­ons­stand: 0.4i). Wis­sen­schaft­lich Inter­es­sierte fin­den darin neben neben vor­be­rech­ne­ten Tabel­len zu Gar- und Pasteu­ri­sie­rungs­zei­ten auch die ver­wen­de­ten For­meln. Wenn man den Anhang The Mathe­ma­tics of Sous Vide aber bei­seite läßt, braucht man kei­nen PhD, um seine Aus­füh­run­gen zu ver­ste­hen. Die Vor­ver­sion 0.4h steht auch als PDF in deut­scher Spra­che zur Ver­fü­gung. Beson­ders wich­tig sind die erwähn­ten Tabel­len, die Lek­türe ist jedoch ganz gene­rell zu empfehlen!
  • Die Tabel­len sind wich­tig, habe ich geschrie­ben? Das stimmt nicht mehr: Die Tabel­len waren wich­tig. Now there’s an app for that! Zumin­dest für iOS umfaßt Sous­Vide Dash alles, was man sich von einem Sous-vide-Hel­fer­lein wün­schen kann: Berech­nung der Gar- und Pasteu­ri­sie­rungs­zei­ten abhän­gig von Gar­gut, Form und Dicke, Was­ser­tem­pe­ra­tur und sogar vom ver­wen­de­ten Was­ser­bad! Kom­bi­back­rohre fin­den lei­der noch keine spe­zi­elle Berück­sich­ti­gung, aber das den Berech­nun­gen zugrun­de­ge­legte Phy­sik­mo­dell ist voll­stän­dig anpaß­bar. Der Ent­wick­ler ist Anre­gun­gen gegen­über sehr auf­ge­schlos­sen – eine Kon­takt­auf­nahme könnte sich daher lohnen!
  • Chris Young, Grant Lee Crilly und Ryan Matthew Smith, drei ehe­ma­lige Mit­glie­der des „Moder­nist Cui­sine“-Teams, haben mit der kosten­lo­sen Web­site Chefsteps.com schon viele groß­ar­tige Rezepte und Tech­ni­ken vor­ge­stellt. Den Beginn machte ihr video-unter­stütz­ter Sous-vide-Kurs – der­zeit lei­der auch nur in eng­li­scher Spra­che ver­füg­bar, aber dank CC-BY-NC-SA-Lizenz könnte auch das sich noch ändern.
  • Nie fer­tig­ge­stellt wurde lei­der Dave Arnolds Low-Tem­pe­ra­ture and Sous-Vide Pri­mer. Trotz­dem lohnt sich ein Blick in die bestehen­den Kapi­tel. Aktu­el­ler als sein Blog Coo­king Issues ist die gleich­na­mige Radio­sen­dung auf Heri­tage Radio Net­works, die als Pod­cast zur Ver­fü­gung steht (auch im iTu­nes-Store).
  • Und dann wäre da natür­lich noch der Dis­kus­si­ons­strang, mit dem alles begon­nen hat: Sous Vide: Recipes, Tech­ni­ques, & Equip­ment auf eGullet.org. Seit 2004 wird hier lei­den­schaft­lich und meist auf hohem fach­li­chem Niveau über sous-vide debat­tiert. Auch Nathan Myhrvolds opus magnum, Moder­nist Cui­sine, nahm hier sei­nen Aus­gang. Mitt­ler­weile mußte der thread auf­ge­spal­ten wer­den, um die Foren-Soft­ware nicht zu über­for­dern. Um in den tau­sen­den Nach­rich­ten nicht voll­ends den Über­blick zu ver­lie­ren, haben flei­ßige Mode­ra­to­rin­nen und Mode­ra­to­ren die Dis­kus­si­ons­the­men bis 2011 beschlag­wor­tet und mit einem Inhalts­ver­zeich­nis versehen.

Auf toten Bäumen

Ein caveat zu den gedruck­ten Wer­ken: ich besitze keine deutsch­spra­chige Lite­ra­tur zum Thema. Die ame­ri­ka­ni­schen Autoren waren schnel­ler und spä­te­stens nach Moder­nist Cui­sine war mein Bedarf an Basis­wis­sen dann ein­fach gedeckt. Gene­rell habe ich mir zum Sous-vide-Garen aber mehr aus den ver­link­ten Foren und Blogs ange­le­sen, als aus Büchern. Was nicht hei­ssen soll, daß sie nicht lesens­wert wären.

  • Eines der ersten all­ge­mein ver­füg­ba­ren (das heißt, nicht nur auf Spa­nisch oder Fran­zö­sisch erschie­ne­nen) Bücher zu sous-vide war Under Pres­sure von Tho­mas Kel­ler. Neben eini­gen wun­der­schö­nen Pho­to­gra­phien (beim Titel­bild han­delt es sich übri­gens um Rha­bar­ber) ent­hält es eine Reihe von sehr guten, moder­ni­stisch prä­sen­tier­ten Rezep­ten. Lei­der haben sich im Text wohl die Rechts­an­wälte durch­ge­setzt – ich kann und will nicht glau­ben, daß Kel­lers Restau­rant French Laun­dry Fleisch­stücke mit die­sen Gar­tem­pe­ra­tu­ren ser­viert. Trotz­dem würde ich es wohl wie­der kau­fen – allein schon wegen des Rezepts für Arti­schocken bari­goule.
  • Dou­glas Bald­win habe ich ja schon wei­ter oben erwähnt. Wenn man sich mit dem Thema noch gar nicht befaßt hat, ist sein gedruck­tes Buch Sous Vide for the Home Cook keine schlechte Inve­sti­tion, aber wer schon den A Prac­ti­cal Guide to Sous Vide Coo­king gele­sen hat, braucht es eigent­lich nicht. Die wich­ti­gen Tabel­len gibt es ja online, die Rezepte sind halt eher auf die Koch­ge­wohn­hei­ten in US-ame­ri­ka­ni­schen Haus­hal­ten hin ori­en­tiert. Die Prä­sen­ta­tion ist eher spar­ta­nisch, dafür ist der Preis niedrig.
  • Wer zumin­dest ansatz­weise ver­ste­hen will, warum gewisse Küchen­tech­ni­ken funk­tio­nie­ren, kommt an Moder­nist Cui­sine nicht vor­bei. Das gilt natür­lich beson­ders für das Kapi­tel zu sous-vide – denn eigent­lich hat Nathan Myhrvold sein Pro­jekt haupt­säch­lich des­halb gestar­tet, weil er mit der vor­han­de­nen Lite­ra­tur dazu nicht zufrie­den war. Die Tech­ni­ken sind solide recher­chiert und gete­stet und las­sen sich (was sous-vide anlangt) fast alle auch in Pri­vat­kü­chen ein­set­zen. (Gele­gent­lich muß man sich aller­dings den flüs­si­gen Stick­stoff weg­den­ken und für die pla­ted recipes sollte man eine Küchen­bri­gade ein­pla­nen.) Die Quer­schnitts­pho­to­gra­phen/-gra­phi­ken sind atem­be­rau­bend und anschau­lich zugleich, das sepa­rate Kit­chen Manual in Ring­bin­dung soll­ten sich andere Koch­bü­cher abschauen.
  • Letz­tes Jahr ist dann mit Moder­nist Cui­sine at Home quasi die abge­speckte Fas­sung für den Heim­ge­brauch. Anders als in Moder­nist Cui­sine wird nicht still­schwei­gend eine Kam­mer­va­ku­um­ma­schine vor­aus­ge­setzt – die Erklä­run­gen zum Wie und Warum sind aller­dings nahe­lie­gen­der­weise eben­falls geschrumpft. Die Rezepte deut­lich ein­fa­cher nach­zu­ko­chen, die Tech­ni­ken an sich ident. Bezüg­lich der Rezepte gibt es eine teil­weise, aber nicht voll­stän­dige Über­schnei­dung zum „Haupt­werk“ – ins­be­son­dere das Kapi­tel zu cus­tards gibt es in Moder­nist Cui­sine so nicht. Die Aus­stat­tung ist eine Spur weni­ger luxu­riös (der Schu­ber ist aus Kar­ton statt Acryl­glas), aber auch hier gibt es wie­der das prak­ti­sche Kit­chen Manual. Wenn ich mich für eines der bei­den Bücher ent­schei­den müßte, würde ich aber zur gro­ßen Aus­gabe greifen.
  • Annä­hernd gleich­zei­tig mit MC@H erschie­nen, ist Heston Blu­men­thal at Home deut­lich preis­gün­sti­ger. Auch hier gibt es Erklä­run­gen zum Warum, aller­dings deut­lich kom­pak­ter und ohne umfang­rei­ches Tabel­len­ma­te­rial. Als Ein­füh­rung in moderne Küchen­tech­ni­ken keine schlechte Wahl, das Sous-vide-Kapi­tel ist mit fünf Sei­ten aber recht kurz.

Soweit eine kurze Bestands­auf­nahme mei­ner häu­fig benutz­ten Quel­len für alles, was mit sous-vide zu tun hat. Viel­leicht fin­det irgend­wann doch noch ein­mal das eine oder andere deutsch­spra­chige Buch den Weg in meine Biblio­thek (Heiko Anto­nie­wicz würde mich inter­es­sie­ren) – im Fall des Fal­les werde ich die Liste natür­lich ergän­zen. Über Emp­feh­lun­gen und eigene Erfah­run­gen mit den Büchern und Blogs würde ich mich jeden­falls sehr freuen!


Der Küchenmeister

Der Küchen­meis­ter arbei­tet als Infor­ma­ti­ker und dilet­tiert in sei­ner Frei­zeit am Herd und Zir­ku­la­tor. Seit eini­gen Jah­ren gilt sein beson­de­res Inter­esse den moder­nen Küchentechniken.

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