Niemand lernt in einem Kochkurs kochen. Allein schon die Vorstellung ist absurd. Kochen ist zuallererst Handwerk. (Die Kochkunst im eigentlichen Sinn, wie sie Ferran Adrià und andere Spitzenköchinnen und ‑köche betreiben oder betrieben haben, soll für die folgenden Gedanken außen vor bleiben.) Wie jedes Handwerk ist auch das Küchenhandwerk in Wahrheit nur auf eine Art erlernbar: durch das fortwährende Tun.
Damit möchte ich natürlich nicht ausdrücken, daß das Lernen unter Anleitung den meisten Menschen nicht etwas leichter fällt. Das stimmt zweifellos. Aber auch der Lehrberuf „Koch/Köchin“ besteht eben hauptsächlich aus Tun und der Wiederholung von, ja, auch stumpfsinnigen (manche sagen: meditativen) Tätigkeiten. Nur so kann sich die Routine einstellen, die signalisiert, daß man ein Handwerk wirklich beherrscht. Diese Routine war früher keineswegs auf den professionellen Bereich beschränkt. Während es jedoch vormals fast ausschließlich Frauen waren, die derart fest in die tägliche Essensversorgung eingebunden waren (und es vereinzelt noch sind – mir kommt dazu die türkische Großmutter in den Sinn, die im Akkord Mantı für die Familienfeier formt), hat sich die Beschäftigung mit und in der Küche in Bezug auf die Geschlechter egalisiert: Es findet einfach fast niemand mehr die Zeit, sich täglich in die Küche zu stellen und in entsprechendem Umfang zu kochen.
Daher: In einem der üblichen Kochkurse für den privaten Bedarf lernt niemand kochen (mehrtägige oder gar ‑wöchige Spezialkurse für ausgelernte Köchinnen und Köche sind damit natürlich nicht gemeint). Trotzdem gehe ich gerne in Kochkurse. Warum eigentlich?
Drei Gründe für Kochkurse
Billig sind sie ja nicht gerade – unter 100, eher 120 Euro für einen drei- bis vierstündigen Abend spielt sich selten etwas ab. Auf den ersten Blick ist das viel Geld, auch wenn eine kurze Kalkulation dies doch recht schnell relativiert. Neben dem reinen Wareneinsatz für Speisen und Getränke sowie der notwendigen Infrastruktur je nach Gruppengröße auch noch mindestens zwei Menschen für die diversen Hilfstätigkeiten (und für das große Aufräumen im Anschluß).
- Kochkurse als Ersatz für Restaurantbesuche
- Kochkurse als „geschützte Werkstatt“
- Kochkurse als Hilfe gegen Fernweh
In erster Linie ist ein Kochkurs eine Gelegenheit, mit (im besten Fall) netten und am Kochen interessierten Menschen einen geselligen Abend zu verbringen. Quasi ein Restaurantbesuch mit partieller Eigenverantwortung für die Qualität der Speisen. Die undankbaren und langwierigen Tätigkeiten werden einem meist eh abgenommen. (Nebenbei auch einer der Gründe, warum der Erkenntnisgewinn bei Kochkursen oft bescheiden ist. Zuhause hat man ja auch selten eine Küchenbrigade zur Verfügung.) Gewisse Rezeptschritte fallen aus Zeitgründen sowieso aus (z.B. Fleisch marinieren oder Sauerteig ansetzen) und daß alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer alles ausprobieren, geht sich sowieso selten aus. Mit dem Küchenalltag hat so eine Kurssituation also recht wenig gemein.
Der erste Grund bedarf also, so denke ich, keiner weiteren Erläuterung. Doch was hat es mit dem zweiten und dritten Punkt auf sich? Hier muß ich etwas weiter ausholen.
Unheimliche Ingredienzien
Kochkurse sind jedenfalls eine gute Möglichkeit, in einem „geschützten“ Umfeld mit unbekannten, ungewöhnlichen oder „unheimlichen“ Zutaten zu experimentieren. Dafür eignen sich natürlich nicht alle Kurse gleichermaßen. Je nach Vorwissen und kulinarischer Sozialisation unterscheidet sich individuell, welche Ingredienzien für jemand unvertraut sind. Bei mir waren es in den letzten beiden Jahren drei Kochkurse, die ich explizit aus diesem Grund besucht habe:
- „Schalen- und Krustentiere“ (Nathalie Pernstich, Babette’s, Dezember 2012)
- „Innereien – auf Herz und Niere geprüft!“ (Adi Bittermann, ichkoche.at, März 2013)
- „Fisch und Meeresfrüchte“ (Aaron Waltl, ichkoche.at, August 2013)
Nicht selbsterklärend genug? OK, dann also hier die Reader’s Digest-Fassung der Kurse.
Fallbeispiel 1: Schalen- und Krustentiere
Es gibt Kochkurse, da sollte man die eigenen Erwartungen besser vorab überprüfen, sonst ergeht es einem wie einer Teilnehmerin, die bei den „Schalen- und Krustentieren“ nach einem Blick auf den Tageseinkauf leicht indigniert in die Runde fragte, ob hier denn etwa Tiere getötet würden? Uh-oh. In der Tat waren alle Austern, die zu öffnen wir lernten, noch am Leben (und wir sind das daher auch bis heute). Auch die Hummer und Flußkrebse kamen nach alter französischer Tradition lebend in den Topf. (Warum andere Tötungsmethoden wahrscheinlich auch geschmacklich besser sind, hat Dave Arnold vor einiger Zeit in einem Cooking Issues-Beitrag beschrieben.) Nur der Oktopus, der war tiefgefroren. (Also eventuell doch Paul, die Krake. Bei Tiefkühlkost weiß man ja nie so genau …)
Fallbeispiel 2: Innereien
Ich bin der Meinung, man sollte alles zumindest einmal gegessen haben. Bei manchen Gerichten liegt die Betonung allerdings auf dem einmal. Für alle, die diese Reise ins Innere eines Tieres noch vor sich haben: Grauslichkeit spielt sich nur im Kopf ab. Abschalten, kosten, und erst hinterher wieder daran denken, was das jetzt eigentlich genau war. Nur weil etwas eine traditionelle Spezialität ist, muß es nicht unbedingt prickelnd schmecken. Umgekehrt verbirgt sich hinter manchem Arme-Leute-Essen (oder, ebenfalls oft gehört: Hundefutter) eine schmackhafte Delikatesse. Grillmeister Adi Bittermann ist in seinem Wirtshaus in Göttlesbrunn auch als Spezialist für die inneren Werte des Tieres bekannt.
Hier also meine persönlichen Notizen: Kalbsniere muß nicht sein. Außer zäh hauptsächlich zäh (was dafür spricht, daß sie ausreichend gewässert war, sonst kann einem da auch ein dezentes pipi de chat entgegenduften). Bries: Dafür würde ich das Kalb auch eigenhändig schlachten. Eindeutig meine liebste Innerei – ich find’s einfach unfaßbar gut. Hirn ist ganz nett, aber nicht extrem geschmacksintensiv. Selbiges gilt für Kutteln. Eh OK, aber den hype darum kann ich nicht nachvollziehen. Schmecken halt nach der jeweiligen Sauce. Stierhoden – der Tofu des Rinds. Sowohl geschmacklich wie von der Konsistenz her. Verzichtbar. Beuschel und Herz, I like. Ordentlich putzen ist halt wichtig, aber das gilt eh für alle Innereien. War da noch was? Ah ja, die Leber. Eine Haßliebe. Mir wird der Geschmack schnell zu penetrant, ein paar Bissen können schon sehr, sehr gut sein, wenn die Leber nicht zu Tode gebraten wurde. Generell ziehe ich die Geflügelvariante vor.
Fallbeispiel 3: Fisch
Aaron Waltl legt großen Wert darauf, daß tatsächlich alle Arbeitsschritte im Kurs geübt werden können. „Wir haben noch genug da, alle sollen das einmal ausprobieren können!“, fordert er uns zum Filetieren eines Steinbutts auf. Platz ist im Kochstudio von ichkoche.at glücklicherweise genügend und auch ordentlich scharfe Messer (Wüsthof) gibt es in ausreichender Anzahl. Neben den einheimischen Klassikern Forelle und Saibling wagten wir uns auch an das Filetieren von Plattfischen (der schon erwähnte Steinbutt und, wenn ich mich recht erinnere, auch Scholle).
Erfreulich weltläufig ging es auch weiter: Zusätzlich zum hierorts verbreiteten Braten und Räuchern standen auch „exotischere“ Zubereitungsmethoden wie ceviche (an sich roher Fisch wird dünn aufgeschnitten – meist mit Chili – in Limettensaft mariniert wodurch er eine „gegarte“ Konsistenz erhält, da die Eiweiße aufgrund der Säure des Zitrussafts denaturiert werden) auf dem Lehrplan.
Schnuppern in fremde(n) Küchen
Einen dritten Grund für beziehungsweise eine dritte Kategorie von besuchenswerten Kochkursen will ich nicht verschweigen: Das Kennenlernen neuer Küchen. Logisch, am besten tut man das in der jeweiligen Weltgegend, aber das kann man sich halt nicht in jeder Lebenssituation (oder für jede Weltgegend) leisten. Außerdem: Mehr als allenfalls ein kurzer Blick in die Küche gelingt im Urlaub selten, oder?
Auch für diesen dritten Aspekt habe ich ein Beispiel aus dem letzten Jahr parat. In den Genuß von Wolfgang Krivanec‘ südostasiatischer Küche bin ich ja schon 2012 gekommen, letztes Jahr war ich dann auch zu einem entsprechenden Kochkurs in die damalige Kochwerkstatt 7 (jetzt: Die Pause) eingeladen. Wolfgang hat mehrere Jahre in Thailand gelebt und gearbeitet, hält aber glücklicherweise wenig von übertriebenem Authenzitätsgetue à la „wenn ich diese spezielle Thai-Gemüsesorte nicht bekomme, muß ich leider das ganze Essen absagen“. Klar also, daß die Currypasten im Thermomix entstehen – der Mörser kommt nur für den Papaya-Salat zum Einsatz.
Aufgrund der relativ kleinen Gruppe (ich finde ja sieben oder acht Menschen ideal – mehr ist nur für die Veranstalterinnen und Veranstalter gut) war genügend Zeit fürs Ausprobieren und Nachfragen. Abgesehen von den wichtigsten Grundlagen der Curry-Pastenbereitung und des Frühlingsrollenfaltens, nahm ich auch einige überraschende Erkenntnisse mit: Wer hätte zum Beispiel gedacht, daß Spargel durchaus eine (leichte) Curry-Sauce verträgt? Und zuviel Fischsauce kann man auch kaum verwenden. Die süß-scharf-sauer-salzige Vielfalt machte jedenfalls Lust auf mehr – und selbst die zarten Reispapierblätter sind schließlich gar nicht so schwer handzuhaben, wie es am Anfang aussieht. (Und falls wer Hunger bekommen hat: Im Juni hat Wolfgang endlich ein eigenes Lokal eröffnet, das Okra in der kleinen Pfarrgasse im 2. Bezirk. Feine Ramen, Maki und ein Holzofen für allerlei Experimente erwarten die Besucherinnen und Besucher. Reservierung empfohlen.)
Conclusio
In einen Kochkurs, um kochen zu lernen? Nimmermehr. Nutzbringend sind Kochkurse genau dann, wenn man die eigene kulinarische Komfortzone verläßt und sich auf neue Zutaten, neue Küchen, neue Geschmackskombinationen einläßt.
Zum Kurs „Fisch und Meeresfrüchte“ von ichkoche.at und zu Wolfgang Krivanec‘ Thai-Kochkurs war ich als Blogger eingeladen. Alle anderen erwähnten Kochkurse habe ich privat besucht und bezahlt.
Das habe ich mit großem Genuss gelesen. Ich teile Deine Meinung und bin für jeden Kurs dankbar den ich besucht habe. In vielen Kursen stand der Spaß im Vordergrund und in jeden Kurs konnte ich etwas mitnehmen, was ich in meinen Küchenalltag übernommen habe.
Viele Kurse habe ich bei, wie ich es nenne, native cooks gemacht, um den authentischen Geschmack zu erleben.
Und es gab Kurse die mein Küchenleben auf den Kopf gestellt haben und die für mich immer unvergesslich bleiben werden.
P.S. um den Innereienkurs beneide ich Dich.
Ein wirklich schöner Artikel! Ich darf im nächsten Frühling an der VHS einen Kochkurs für geschmeidige Köstlichkeiten geben, für mein Spezialgebiet so zu sagen. Ich glaube ebenfalls nicht, dass ich in 4 Stunden Menschen kochen lernen werde, ich erwarte mir viel mehr, dass ich meine persönlichen Erfahrungen mit dieser speziellen Kostform weitergeben kann. Jedenfalls bin ich schon sehr gespannt. Leibe Grüße aus Salzburg, Claudia
@bushcook:
Als ich den Kurs im Programm entdeckt hab, hab ich sofort gewußt, daß ich ihn besuchen muß! Der einzige Nachteil war halt wie üblich die Zeit: Gerade Innereien müssen ja oft gewässert, geputzt etc. werden. Das geht in einem „Consumer-Kochkurs“ leider nicht :( Gerade für Fragen wie „Wann ist das Schweinsnetz genug gewässert?“ wär halt das Riechen am Objekt davor und danach fein. ;-)
@Claudia:
Oh ja, die „andere Seite“, nämlich die Erwartungen von Menschen, die einen Kochkurs leiten, gäbe sicher genug Stoff für einen eigenen Beitrag. Würde mich freuen, wenn Du nächstes Jahr von Deinen Erfahrungen mit der Leitung berichten würdest.
Vielen Dank für den tollen Artikel! Er spricht mir aus der Seele. Ich bin auch eine leidenschaftliche Kochkurs Besucherin!
Toller Artikel und interessante Sichtweise. Ich bin ja nicht so ein Pro bei Lebensmitteln wie Du, aber war vor vielen Jahren in der Situation, dass ich nicht mehr als Spaghetti kochen konnte und mich doch an die eigene Küche mit mehr als Gemischtem Salat wagen wollte. Dabei haben mir die – seinerzeit von Friends of Merkur – angebotenen Kochkurse sehr geholfen. Ich lernte Fisch zubereiten, Zwiebeln schneiden, Saucen reduzieren … Dann gab es die Fernweh-Serie mit Jamie Oliver Samstag Mittag über etwa ein Jahr hindurch. Auch die war unglaublich hilfreich und nahm mir die Scheu von kleinen Experimenten. … Wenn Du natürlich von gemeinsamen gesponserten Kochabenden sprichst, da geb ich Dir voll und ganz recht. Da lernt man nicht kochen. Bestenfalls ein, zwei neue Lebensmittel, die man dann zu Hause ausprobiert. Gesellig ist beides allemal.
@Claudia 2:
Danke schön!
@Vanessa:
Waren das bei Merkur Kurse mit mehrtägige Kurse (bzw. Kursserien)? Falls ja, würde das meinen Thesen gar nicht widersprechen. Ich meine zwar gar nicht so sehr gesponserte Kochabende für Bloggerinnen und Blogger (die sind meist noch kürzer), aber auch bezahlte Kochkurse dauern meiner Erfahrung nach selten länger als vier oder fünf Stunden – und tatsächlich gekocht wird höchstens in zwei Dritteln der Zeit. (Jamie Olivers Sendung erachte ich nicht als Kochkurs im von mir betrachteten Sinn, denn da hast Du Dir die Praxis ja selbständig erarbeitet – ob die Idee bzw. das Rezept aus einer Fernsehsendung oder einem Kochbuch stammt, ist dabei ja unerheblich.)