Seit mittlerweile drei Jahren koche ich privat nach der Sous-vide-Methode – höchste Zeit für ein paar persönliche Betrachtungen und Tips. Wer diesen Blog liest und die Technik immer noch nicht kennt: Es handelt sich dabei um hochpräzise kontrolliertes Niedrigtemperaturgaren unter Luftabschluß. Üblicherweise erreicht man das durch ein temperaturgeregeltes Wasserbad oder einen Dampfgarer in Verbindung mit einer Vakuummaschine. Hört sich sehr nerdy an? Ist es auch. Ohne spezielle Geräte kann man zwar in die Methode hineinschnuppern (Rindslungenbraten eng in Plastikfolie einwickeln, Wasser in einem Topf auf ca. 60 °C erhitzen und das eingewickelte Fleisch eine halbe Stunde darin ziehen lassen, danach auswickeln und anbraten), der eigentliche Vorteil erschließt sich bei solchen improvisierten Garverfahren aber nicht: Durch die genaue Kontrolle der einen Variable (Gartemperatur) ist die zweite Variable (Garzeit) für ein perfektes Ergebnis nicht mehr so kritisch.
Traditionell ist es eher umgekehrt: Außer bei kochendem Wasser wissen wir meist nicht, wie heiß unser Garmedium ist. Und wenn wir es wissen, ist diese Temperatur viel höher, als die, die unser Gargut eigentlich erreichen soll – deshalb ist es auch so kritisch, ob das Frühstücksei direkt aus dem Kühlschrank kommt oder Zimmertemperatur hat. 100 °C ist für ein Hühnerei viel zu viel, aber wie viele Minuten müssen wir es genau im Wasser lassen, bis der Kern gerade cremig ist? Schon 30 Sekunden zu lange in einem zu heißen, nicht kontrollierten Medium und der perfekte Punkt ist verpaßt. Anders sous-vide (ausnahmsweise ohne Vakuumbeutel): Ob das Ei bei 63,5 °C ein Stunde länger im Wasserbad ist als unbedingt nötig, spielt für das Ergebnis fast keine Rolle (irgendwann dann doch wieder, aber da reden wir von Tagen). Manche Resultate lassen sich mit anderen Zubereitungsmethoden gar nicht erzielen (ein zartes Steak, medium rare, vom Wadschinken oder Ochsenschlepp), viele „nur“ einfacher und konsistenter (perfekt gegartes Roastbeef ohne grauen Rand, saftige Hendlbrust). Ein Gewinn ist sous-vide in beiden Fällen.Was eignet sich als Grundausstattung? Ist ein Maschinenpark um mehrere tausend Euro nötig? Nicht unbedingt. Klar macht’s mit den „großen“ Geräten gleich viel mehr Spaß, aber für die ersten Gehversuche geht’s auch deutlich billiger – ohne, daß man sich für die Zukunft etwas verbaut. An sich braucht man für sous-vide nur zwei Dinge:
- Luftabschluß und
- Temperaturkontrolle.
Beiden Aspekten kann man sich auf sehr unterschiedliche Art und Weise nähern. Im folgenden gibt es einen kurzen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten, konkrete Gerätetests und ‑empfehlungen wird es dann im Lauf der nächsten Wochen geben.
Luftabschluß
Ein traditionelles confit unterscheidet sich von sous-vide hauptsächlich dadurch, daß die Temperaturkontrolle nicht besonders exakt ist. Ob hingegen der Luftabschluß durch die Bedeckung mit Fett, das Einschweißen in einen Plastikbeutel oder schlicht mittels eines Marmeladeglases erfolgt, ist nicht entscheidend.
In den meisten Fällen ist der Umgang mit einer Kammervakuumiermaschine am komfortabelsten, für die allermeisten Anwendungen gelten diese Maschinen als die Königsklasse. Der Nachteil: Man hat ein 50-kg-Trumm in der Gegend herumstehen und mindestens ein- bis zweitausend Euro weniger am Konto. Hier wird in einer festen Kammer (meist mit Sichtglocke) ein Vakuum erzeugt (dadurch bläht sich der Beutel auf, ehe die Luft daraus vollständig entwichen ist). Dadurch ist es möglich, auch Flüssigkeiten zu vakuumieren (innerhalb gewisser Temperaturgrenzen – durch den Unterdruck sinkt nämlich der Siedepunkt, so daß man, wenn die Maschine einen genügend großen Unterdruck erzeugen kann, selbst Eiswasser zum Kochen bringen kann). Die verwendeten Beutel sind üblicherweise glatt („Siegelrandbeutel“) und ziemlich günstig erhältlich (beispielsweise bei Allpax 1000 Stück 20×30 cm um knapp 62 Euro inkl. MwSt.).So lang keine Flüssigkeiten involviert sind tut es für die ersten Gehversuche aber auch ein Vakuumiergerät um 60 Euro aus dem nächsten Elektronikmarkt. Hier wird entgegen des Namens keinerlei Unterdruck erzeugt, stattdessen saugen die Geräte einfach die Luft aus dem Beutel heraus. Damit das gelingt, muß man sogenannte goffrierte oder Strukturbeutel verwenden. Diese Beutel verfügen über eine Unzahl von feinsten vertikalen Rillen, wodurch auch beim Zusammenpressen des offenen Endes Luft abgesaugt werden kann. Leider wirken diese Rillen auch als Kapillaren für Flüssigkeiten, so daß man von Marinaden besser die Finger lassen sollte. Die Gefahr einer Riesensauerei ist sehr groß, selbst wenn man die Beutel über die Tischkante hängen läßt (die heraufsteigende Flüssigkeit muß dann gegen die Schwerkraft ankämpfen). Sie sind etwas teurer als Siegelrandbeutel. Bei Allpax kosten 1000 Stück 20×30 cm derzeit etwas über 82 Euro inkl. MwSt., früher war der Unterschied sogar noch größer.
Eine dritte Möglichkeit (und für empfindliches Gargut wie Fisch sogar die beste) ist die Verwendung von ZipLoc-Beuteln mittels des archimedischen Prinzips. Dazu wird der mit dem Gargut befüllte ZipLoc-Beutel bis auf ein Eck vollständig verschlossen so in ein Wasserbecken getaucht, daß nur dieses offene Eck herausschaut. Durch den Druck des Wassers wird die im Beutel verbliebene Luft herausgepreßt und wenn man die verbliebene Öffnung vorsichtig verschließt, während der Großteil des Beutels unter Wasser ist, bleibt sie auch draußen. (Dave Arnold demonstriert die Technik sehr schön auf Cooking Issues.) Schonender geht’s nicht!Temperaturkontrolle
Neben der luftdichten Verpackung des Garguts ist aber seine behutsame und genau kontrollierte Erwärmung ebenso wichtig. Alle dafür verwendbaren Geräte bestehen im Prinzip aus drei Hauptkomponenten: einem Heizelement, einer Temperaturregelung und einem Medium. Bei küchenüblichen Behältnisgrößen ist alles zwischen 1000 und 2000 Watt Heizleistung völlig ausreichend. Eine höhere Heizleistung ist auch nicht immer von Vorteil – zwar reduziert sich dadurch die Vorwärmphase, gleichzeitig wird aber der overshoot, also das Überschreiten der eingestellten Gartemperatur durch zu starkes Aufheizen, fast zwangsläufig größer.
Auch bei der Temperaturregelung gibt es keine essentiellen Unterschiede. Bis auf umfunktionierte Dampfgarer arbeiten alle Geräte mit einem sogenannten PID-Regler. PID steht dabei für proportional integral derivative (und nein, ich verstehe die Mathematik dahinter auch nicht). Als Temperaturfühler wird außer bei sehr billig produzierten Haushaltsgeräten ein Platin-Widerstandsthermometer (Pt100 oder Pt1000) verwendet. Nach einer entsprechenden Kalibrierung (meist durch den Hersteller) lassen sich durch diese Regelungskreise Temperaturen sehr exakt einstellen und halten.
Die meisten Unterschiede zwischen verschiedenen Sous-vide-Geräten gibt es beim verwendeten Garmedium. Luft, wie in einem normalen Backrohr, scheidet aufgrund ihrer schlechten Wärmeleitfähigkeit von vornherein aus. Wasser und Wasserdampf sind daher die beiden Medien mit Praxisrelevanz (Ölbäder, wie sie in Laboren üblich sind, haben in Küchen keine Verbreitung gefunden). Wasserbäder halten dabei aufgrund ihrer im Vergleich zum Gargut größeren thermischen Masse konstanter (d.h. der Temperaturabfall beim Einlegen des Garguts fällt geringer aus, ebenso der overshoot). Bei Wasserbädern ist noch wichtig, ob sie über eine Umwälzpumpe verfügen, oder für die Durchmischung des Wassers auf die natürliche Konvektion bauen, denn Geräte mit Pumpe halten die Temperatur gleichmäßiger, da sich weniger leicht lokale hotspots bilden.
Aus meiner Sicht eignen sich Dampfgarer nur bedingt für sous-vide. Im kommerziellen Umfeld werden Dampfgarer bzw. Kombidämpfer gerne eingesetzt, weil sie bereits vorhanden sind bzw. waren und das Personal mit der Bedienung vertraut ist. Die Temperaturkonstanz und ‑genauigkeit und die Wärmeübertragung sind jedoch deutlich schlechter als bei Wasserbädern. Bei Haushaltsgeräten läßt sich zudem die Temperatur oft nur in Fünf-Grad-Schritten einstellen. Wer schon einen Dampfgarer hat und erste Gehversuche mit sous-vide machen möchte: Go for it! – Von einer Neuanschaffung für diesen Zweck würde ich aber abraten.
Für technisch Interessierte gibt es fertig montierte PID-Regler wie den SousVideMagic 1500D von Fresh Meals Solutions zu kaufen, allerdings meines Wissens nach nur als Direktimport aus den USA. Den Regler kann man mit einem hierzulande wenig verbreiteten slow cooker oder einem Tauchsieder und einem vorhandenen Kochtopf (oder der Badewanne) benützen. Das ist recht preiswert, in der Küche schaut es dann aber halt immer ein bißchen wie in einer Elektronikwerkstatt aus. Man sollte dann auch ungefähr wissen, was man tut, Wasser und spannungsführende Gerätschaften sind ja nicht ganz risikofrei.Wasserbäder ohne Pumpe sind relativ preiswerte „Gesamtlösungen“. Prominentestes Beispiel ist sicher der auch in Europa erhältliche Sous Vide Supreme. Ihr Vorteil: auf einander abgestimmte Elemente (z.B. Deckel), fast lautloser Betrieb. Der Nachteil ist eine ungleichmäßigere Temperaturverteilung. Insbesondere bei Langzeitgarung und wenn mehrere Dinge gleichzeitig gegart werden sollen, kann sich das negativ auswirken. Und: man kann später nicht auf ein größeres Becken umsteigen, falls man einmal doch ein ganzes Spanferkel zubereiten möchte.
Last, but not least wären da noch die schon erwähnten Einhängethermostate mit Umwälzpumpen (hier kurz auch Zirkulator genannt, vom englischen immersion circulator). Hier sind Heizelement, Regler und Pumpe integriert; das Wasserbecken kann man sich aussuchen (wobei es zum Teil auch speziell angepaßte isolierte Becken gibt). Optisch schwanken Zirkulatoren zwischen „umfunktioniertes Laborgerät“ und „buntes Abflußrohr“. Ersteres ist kein Zufall, die beiden größten und angesehensten Hersteller stammen beide aus dem Laborbereich: Julabo (Deutschland) und Polyscience (USA). Etwas überspitzt formuliert: Wer professionell sous-vide betreibt, verwendet einen Zirkulator einer dieser beiden Firmen (oder halt den schon vorhandenen Rational-Ofen).Ausblick
Ich selbst verwende seit Beginn meiner „Sous-vide-Karriere“ das Sous Vide Professional (nunmehr: Chef Series) von Polyscience. Julabo hat mir nun freundlicherweise für einige Monate ein Pearl XS zur Verfügung gestellt. Wie sich dieses Modell in der Praxis bewährt hat? Das und auf welche features es wirklich ankommt, erfahrt ihr nächste Woche im zweiten Teil des Sous-vide-Ratgebers.
Ein tolles Posting!
Wenn sich jetzt noch irgendjemand nicht auskennt, dann ist dem nicht zu helfen. ;)
Danke, Susi. Wobei es ja noch so viel zu schreiben gäbe über das Thema! Und ich habe vollstes Verständnis, wenn das jemand zu viel auf einmal ist. Ich beantworte auch gerne auftretende Fragen.
Eine sehr schöne Übersicht über die Sous-Vide Geräte. Auf einem Foto ist ein „Vertikal-Einsatz“/ Gitter zu sehen – ich klappere seit Wochen alle möglichen Geschäfte im Netz und Real (incl. Metro) hier in Tirol ab und finde einfach sowas nicht…
Haben Sie vielleicht eine Bezugsquelle/Hersteller für mich?
Bitte/Danke und beste Grüße aus Innsbruck
ALfred
@Alfred: Das wäre das Sous Vide Supreme Pouch Rack. Ich habe es seinerzeit direkt aus England bestellt. Eine Zeit lang war das Rack auch bei Allpax.de verfügbar, aber inzwischen offenbar nicht mehr (fun fact: unter „Topseller“ wird der tote Link in der Zubehörkategorie dort noch eingeblendet).
Vielen Dank für die prompte Antwort. Hab mein Sous-Vide-Gerät sogar von Allpax, aber genau mit diesem „Link“ bin ich damals auch bei der Bestellung gescheitert… ;-)
Wo finde ich: erfahrt ihr nächste Woche im zweiten Teil des Sous-vide – Ratgebers?
@Martin: Erwischt. Der zweite Teil des Ratgebers schlummert immer noch als halbfertiger Entwurf auf meiner Festplatte. Wenn genug Bedarf dafür besteht, könnte ich mir aber vorstellen, den Text über Weihnachten fertig zu schreiben. :-)
Hi!
Danke für den ersten Teil des Ratgebers – wäre ebenfalls sehr sehr neugierig über Teil 2
lg aus Wien
Martin
@martin: Ich werde mich bemühen, den zweiten Teil in den nächsten Wochen nachzuliefern!
Ich habe mir bei Allpax ein Ein Einhänge Gerät und das passende Gefäß gekauft. Es hält die Temperatur auf 0,01° genau
Habe heute Blumenkohl gemacht. Der Beutel war komplett Luftleer. Dann hat er sich langsam aufgebläht, so dass der Blumenkohl locker im Beutel lag. Ich frage mich wie kommt das zu Stande? Ist das normal oder ist etwas schief gegangen.
Geschmeckt hat er ausgezeichnet
@Waltraud: Das ist bei Kohlgemüsen normal. Um das Aufblähen zu vermeiden (das Gemüse hat ja dann nicht mehr den gewünschten „direkten“ Kontakt mit dem Garmedium) kann man entweder nach 10 – 15 Minuten den Beutel aufschneiden und neu Vakuumieren oder (damit die Beutel zumindest unter Wasser bleiben) ein oder zwei Buttermesser mit einschweißen. Evt. hilft es auch wenn, den Karfiol/Brokkoli/… vorab kurz zu blanchieren. (Mit einem Kammervakuumierer tritt das Phänomen meiner Erfahrung nach weniger stark auf.)