An Bewohner niedrer Hütten,
Die um karges Mahl oft bitten,
Teilet eure Gemsen aus.

Ferdinand Raimund: Der Alpenkönig und der Menschenfeind

Alpen-Disney und Muschelfeind I: Steirereck Pogusch

Alpen-Disney brutal am Pogusch
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc
Es ist nun schon wie­der ein paar Wochen her, daß die Gärtnerin und ich zwei sehr gegen­sätz­li­che Lokale besucht haben: Das Wirts­haus Stei­re­reck am Pogusch und das sehr fran­zö­si­sche Bistro Beau­lieu in der Fer­stel-Pas­sage. Beide Male waren wir ein­ge­la­den, zumin­dest das Pogusch-Stei­re­reck hätte sonst wohl nicht auf unse­rem Besich­tungs­plan gestan­den. Was aber – trotz des eher hef­ti­gen Alpen-Dis­ney-Dekors – ein Feh­ler gewe­sen wäre.

Die Terrasse des Wirthaus Steirereck am Pogusch
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc Lei­der nichts frei
Lei­der war es trotz (oder wahr­schein­lich eher wegen) des guten Wet­ters unmög­lich, einen Platz auf der Ter­rasse zu bekom­men. Im Inne­ren des Rie­sen­baus war es dann zwar noch ein biß­chen rusti­ka­ler, aber kli­ma­tisch aus­halt­bar (und trotz nicht vor­han­de­ner Rau­cher­ab­teil­tren­nung keine olfak­to­ri­sche Belä­sti­gung – die Belüf­tungs­an­lage ist offen­bar ihr Geld wert). Die Karte ist rela­tiv kom­pakt, je nach Wochen­tag gibt es andere Ange­bote. Für mich war schnell klar, daß es der Fünf­gän­ger wer­den mußte – auch die Gärtnerin konnte ich rasch über­zeu­gen. Ange­nehm, daß alle Gerichte von der Karte in das Menü ein­ge­baut wer­den können.

Marinierte und in Steinsalz gegarte Rüben mit gebratenen Kräuterseitlingen & Pilzkraut
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc
Schon der Wur­zel­speck als Gedeck hat ein enor­mes Sucht­po­ten­tial – stark gewürzt und gesal­zen, trotz­dem kann man nicht auf­hö­ren. Mari­nierte und in Stein­salz gegarte Rüben mit gebra­te­nen Kräu­ter­seit­lin­gen & Pilz­kraut groß­ar­tig in ihren ver­schie­de­nen Tex­tu­ren. Apro­pos: Kräu­ter­seit­linge habe ich bis dato offen­bar geschmack­lich unter­schätzt. Die alter­na­tive Warm gebeizte Lachs­fo­relle mit Erd­äp­fel – Spar­gel – Vin­ai­grette & „Wil­der Salat Mischung“ trotz Dep­pen­leer­zei­chen nett, die Essen­den waren von der zylin­der­för­mig ange­rich­te­ten Lachs­fo­relle etwas überrascht.

Kalbskopf & Kalbszunge knusprig gebraten mit Apfelbalsam & Kren
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc
Als zwei­ten Gang wählte ich dann den knusp­rig gebra­te­nen Kalbs­kopf mit hauch­dünn geschnit­te­ner Kalbs­zunge und reich­lich Kren. Auch sehr fein. Der Arti­schocken-Spi­nat-Salat der Gärtnerin hin­ge­gen war mir der Erin­ne­rung nach ein biß­chen zu fad.

Gebratene Reinanke mit Paprika– Rollgersten–Kraut und jungem Kohlrabi
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc
Auf zum drit­ten Gang! Die gebra­tene Rein­anke mit Paprika– Roll­ger­sten – Kraut und jun­gem Kohl­rabi war nicht schlecht, aber das gewisse Etwas fehlte dem Fisch (oder bes­ser: dem Kraut). Anders hin­ge­gen das Kalbs­but­ter­schnit­zel mit dem dazu gereich­ten Zwie­bel­con­fit und gegar­ten Radies­chen: Wirts­haus­kü­che auf hohem Niveau! Spä­te­stens hier mach­ten sich übri­gens erste Ermü­dungs­er­schei­nun­gen bemerk­bar. Die Reit­bau­ers kal­ku­lie­ren ihre Por­ti­ons­größe offen­bar nach dem Vier­gang­menü – fünf Gänge wer­den da schon ziem­lich schwie­rig zu bewältigen.

Paniertes Kitz und Wildkräuter-Erdäpfel-Salat
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc
Die Aus­wahl des pièce de rési­stance war eine lang­wie­rige. Wider mei­nen ersten Impuls ent­schied ich mich schließ­lich für das gebackene Kitz von der Tages­karte, statt wie die Gärtnerin einen Mai- bzw. Juni­bock vom Hoch­schwab zu neh­men. Hatte ich schließ­lich noch nie pro­biert. Kurz: Ich habe es bit­ter bereut. Das arme Zick­lein war näm­lich nicht nur paniert, die Panier war außer­dem noch mit Ros­ma­rin gespickt. Grund­sätz­lich viel­leicht keine schlechte Idee, dem all­fäl­li­gen Eigen­ge­schmack des Flei­sches hat das aber den Rest gege­ben. Das Schnit­zel hätte auch vom Kalb oder Schwein sein kön­nen. Auf gewohnt hohem Niveau war hin­ge­gen der Wild­kräu­ter- und Erd­äp­fel­sa­lat. Daß es einer klei­nen grü­nen Raupe ebenso gut wie mir geschmeckt hat, hat mich zu die­sem Zeit­punkt auch schon nicht mehr tangiert.

Rehbock vom Hochschwab mit Mispeln, Mairüben & gebratener Polenta-Nudel
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc
Ah ja, der „Juni­bock“. Das wär’s gewe­sen! Schön rosa, fast noch blu­tig, dabei zart und mit einer wun­der­ba­ren Sauce unter­legt. So muß man Fleisch zube­rei­ten! Glück­li­cher­weise hat sich mein Hun­ger schon in Gren­zen gehal­ten, sonst hätte ich der Gärtnerin sicher noch mehr vom Tel­ler stibitzt.

Zum Abschluß dann gekoch­ter Grau­mohn-Stru­del. Das kara­mel­li­sierte Heu­milch­eis dazu war eher dezent im Geschmack, der Stru­del aber aus­ge­zeich­net. Ins­ge­samt ein wür­di­ges Finale, ebenso wie die Hol­ler­strau­ben der Gärtnerin (die auf der Karte her­vor­ge­ho­be­nen mari­nier­ten Erd­bee­ren waren aber eher eine nette Dekoration).

Nach­dem die­ser Ein­trag eh schon ein biß­chen län­ger gewor­den ist, ver­schiebt sich der Besuch im Beau­lieu auf näch­stes Mal. Dem­nächst wie­der in die­sem Theater!


Der Küchenmeister

Der Küchen­meis­ter arbei­tet als Infor­ma­ti­ker und dilet­tiert in sei­ner Frei­zeit am Herd und Zir­ku­la­tor. Seit eini­gen Jah­ren gilt sein beson­de­res Inter­esse den moder­nen Küchentechniken.

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