An Bewohner niedrer Hütten, Die um karges Mahl oft bitten, Teilet eure Gemsen aus.
Alpen-Disney und Muschelfeind I: Steirereck Pogusch
Es ist nun schon wieder ein paar Wochen her, daß die Gärtnerin und ich zwei sehr gegensätzliche Lokale besucht haben: Das Wirtshaus Steirereck am Pogusch und das sehr französische Bistro Beaulieu in der Ferstel-Passage. Beide Male waren wir eingeladen, zumindest das Pogusch-Steirereck hätte sonst wohl nicht auf unserem Besichtungsplan gestanden. Was aber – trotz des eher heftigen Alpen-Disney-Dekors – ein Fehler gewesen wäre.Leider war es trotz (oder wahrscheinlich eher wegen) des guten Wetters unmöglich, einen Platz auf der Terrasse zu bekommen. Im Inneren des Riesenbaus war es dann zwar noch ein bißchen rustikaler, aber klimatisch aushaltbar (und trotz nicht vorhandener Raucherabteiltrennung keine olfaktorische Belästigung – die Belüftungsanlage ist offenbar ihr Geld wert). Die Karte ist relativ kompakt, je nach Wochentag gibt es andere Angebote. Für mich war schnell klar, daß es der Fünfgänger werden mußte – auch die Gärtnerin konnte ich rasch überzeugen. Angenehm, daß alle Gerichte von der Karte in das Menü eingebaut werden können.Schon der Wurzelspeck als Gedeck hat ein enormes Suchtpotential – stark gewürzt und gesalzen, trotzdem kann man nicht aufhören. Marinierte und in Steinsalz gegarte Rüben mit gebratenen Kräuterseitlingen & Pilzkraut großartig in ihren verschiedenen Texturen. Apropos: Kräuterseitlinge habe ich bis dato offenbar geschmacklich unterschätzt. Die alternative Warm gebeizte Lachsforelle mit Erdäpfel – Spargel – Vinaigrette & „Wilder Salat Mischung“ trotz Deppenleerzeichen nett, die Essenden waren von der zylinderförmig angerichteten Lachsforelle etwas überrascht.Als zweiten Gang wählte ich dann den knusprig gebratenen Kalbskopf mit hauchdünn geschnittener Kalbszunge und reichlich Kren. Auch sehr fein. Der Artischocken-Spinat-Salat der Gärtnerin hingegen war mir der Erinnerung nach ein bißchen zu fad.Auf zum dritten Gang! Die gebratene Reinanke mit Paprika– Rollgersten – Kraut und jungem Kohlrabi war nicht schlecht, aber das gewisse Etwas fehlte dem Fisch (oder besser: dem Kraut). Anders hingegen das Kalbsbutterschnitzel mit dem dazu gereichten Zwiebelconfit und gegarten Radieschen: Wirtshausküche auf hohem Niveau! Spätestens hier machten sich übrigens erste Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Die Reitbauers kalkulieren ihre Portionsgröße offenbar nach dem Viergangmenü – fünf Gänge werden da schon ziemlich schwierig zu bewältigen.Die Auswahl des pièce de résistance war eine langwierige. Wider meinen ersten Impuls entschied ich mich schließlich für das gebackene Kitz von der Tageskarte, statt wie die Gärtnerin einen Mai- bzw. Junibock vom Hochschwab zu nehmen. Hatte ich schließlich noch nie probiert. Kurz: Ich habe es bitter bereut. Das arme Zicklein war nämlich nicht nur paniert, die Panier war außerdem noch mit Rosmarin gespickt. Grundsätzlich vielleicht keine schlechte Idee, dem allfälligen Eigengeschmack des Fleisches hat das aber den Rest gegeben. Das Schnitzel hätte auch vom Kalb oder Schwein sein können. Auf gewohnt hohem Niveau war hingegen der Wildkräuter- und Erdäpfelsalat. Daß es einer kleinen grünen Raupe ebenso gut wie mir geschmeckt hat, hat mich zu diesem Zeitpunkt auch schon nicht mehr tangiert.Ah ja, der „Junibock“. Das wär’s gewesen! Schön rosa, fast noch blutig, dabei zart und mit einer wunderbaren Sauce unterlegt. So muß man Fleisch zubereiten! Glücklicherweise hat sich mein Hunger schon in Grenzen gehalten, sonst hätte ich der Gärtnerin sicher noch mehr vom Teller stibitzt.
Zum Abschluß dann gekochter Graumohn-Strudel. Das karamellisierte Heumilcheis dazu war eher dezent im Geschmack, der Strudel aber ausgezeichnet. Insgesamt ein würdiges Finale, ebenso wie die Hollerstrauben der Gärtnerin (die auf der Karte hervorgehobenen marinierten Erdbeeren waren aber eher eine nette Dekoration).
Nachdem dieser Eintrag eh schon ein bißchen länger geworden ist, verschiebt sich der Besuch im Beaulieu auf nächstes Mal. Demnächst wieder in diesem Theater!
Der Küchenmeister arbeitet als Informatiker und dilettiert in seiner Freizeit am Herd und Zirkulator. Seit einigen Jahren gilt sein besonderes Interesse den modernen Küchentechniken.
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