Es ist nun doch schon ein wenig her, Anfang Juni, als ich das Vergnügen hatte im Dienste der Wissenschaft und Hochschulzusammenarbeit eine Woche in Shanghai verbringen zu dürfen. In der Haupt- und Residenzstadt über einem kantonesischen Lokal wohnend und mitunter am Geruch der unvermeidlichen „gebackenen Bananen“ leidend (für die lohnt sich allerdings eine Reise nach Madagaskar: reif geerntet und frisch frittiert am Markt und in Straßenküchen, schmecken sie dort wirklich zum Niederknien), hat die chinesische Küche bei mir nicht unbedingt immer einen Stein im Brett.
Essen am Markt und entlang der Straße oder gekauft aus dem Busfenster ist für mich eine der besten Arten, lokales Essen kennenzulernen. Straßenküchen sind ein Phänomen der Dunkelheit: Während sich tagsüber der Verkehr und Menschentrauben durch die Straßen Shanghais schieben, tauchen nach Anbruch der Dämmerung an vielen Straßen mobile Küchen und Grills auf, aufgepackt auf aufgemotzten Mopeds und Fahrrädern. Und das Essen ist eine Freude!
Nudeln aus dem Moped-Wok
Nudeln aus dem Wok und Holzofengrill kommen häufig vor. Bei den Nudeln hat man in der Regel die Wahl zwischen Glas- und Reisnudeln, Mie und dicken Nudeln, die japanischen Udon ähneln. Die Nudeln kommen in den Moped-Wok und werden mit Ei, Pak-Choi, Frühlingszwiebeln und frischem Chili vermischt und mit Ingwer, Sojasauce und Essig abgeschmeckt. Frisch aus dem Wok, am Trottoir sitzend, mjam! Während ich esse schaut mir der Koch interessiert zu, ob ich denn zufrieden und in chinesischem Tempo meinen late-night-Imbiß verputze. Schließlich schien er dann doch mit der Langnase zufrieden zu sein.
Eine zweite Möglichkeit für ein gelungenes Abendessen oder einen Snack am Weg nach Einbruch der Dunkelheit sind die allgegenwärtigen Holzkohlengrills: ebenfalls auf Moped oder Fahrrad aufgebaute werden auf ihnen Spieße mit Muscheln, Scampi, Fisch, Gemüse, Fleisch oder hauchdünn geschnittenen Erdäpfel gegart. Frisch vom Grill erfreut man sich an diesen Delikatessen am besten gleich am nächsten Bankerl sitzend und dem nächtlichen Treiben auf Shanghais Straßen zuschauend.
Straßenbuden sind jedenfalls äußerst beliebt und bis nach Mitternacht findet man sie fast überall in der Stadt – am nächsten Morgen sind sie aber alle verschwunden.
Meerestiere, Fisch und Frosch
Essen ist ein wichtiges Ereignis im Tagesablauf, besonders zu Beginn des Wochenendes, das mit einem großen Essen eingeläutet wird. Eine kleine Seitengasse, in der sich winzige Restaurants und Imbisse nebeneinander reihen und wo auf der Straße vorwiegend Fische, Seeigel, Krabben und Muscheln am Griller oder Steamer zubereitet werden. Reges Treiben, die Leute drängen sich an den Tischchen und türmen vor sich Berge an Gegrilltem und Gekochtem auf, die dann in rasantem Tempo verspeist werden. Es werden viele verschiedene Speisen bestellt und alle essen von allen Platten. Dabei wird immer zuviel bestellt und es wäre eine Schande für den Gastgeber, würde alles aufgegessen werden; parallel dazu trinken die Menschen Bier, rauchen und telefonieren lautstark. Das Prinzip, dass man durch sehr lautes Sprechen auch den Inhalt besser vermitteln würde, musste mir erst durch eine chinaerfahrene maschinenbauende Freundin dargelegt werden; so wie auch das Auf-den-Boden-Spucken von Knochenteilen. Frosch sichuan (superscharf und eine wahre Freude) bietet ausreichend Übungsmöglichkeit.
Auf zwei kleine Speisen möchte ich noch gesondert hinweisen: Seestern gekocht und Schlange frittiert. Seestern kommt für rund zehn Minuten in den Kochtopf. Am Tisch werden die Arme aufgebrochen, mit einer süß-sauren Sauce (Zutaten: Ingwer, Fisch- und Sojasauce) übergossen, ehe das innere Gewebe verspeist wird. Seestern ist neben Seepferdchen, Vogel oder Skorpion am Spieß eines der harmloseren Gerichte. Schlange kommt ebenfalls frisch auf den Tisch: man sucht sich das gewünschte Exemplar lebend aus dem Tank oder Käfig aus. Einige Minuten später kommt die Schlange ohne Kopf, dafür aber eingehüllt in einen Backteig frisch frittiert mit Chilli und Jungzwiebel auf den Tisch. Geschmacklich gut, aber die „Gräten“ haben mich irritiert. Das liegt natürlich hauptsächlich daran, dass ich mir vorher über das Schlangenskelett nicht so recht Gedanken gemacht hatte (Zoologie ist auch schon ein Randl her). In so einer Schlange ist ja alles voll mit feinen Rippen!
Weniger Experimentierfreudige sind mit bāozi, mántóu, jiǎozi gut beraten: Die Teigtaschen sind mit Gemüse, Garnelen, Fisch oder Fleisch gefüllt. Man bekommt sie den ganzen Tag über an kleinen Ständen und in Gasthäusern. Nächst des Yù Yuán liegt eines der besonders beliebten Restaurants. Wer von den berühmten xiǎolóngbāo kosten möchte, muss sich daher auf eine längere Wartezeit gefasst machen – aber jede Minute ist es wert!
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