Ins alte Fabios wäre ich nie essen gegangen. Nicht mein Publikum, nicht mein Ambiente. Wenn man den Kritiken trauen darf, war beim Essen am Schluß auch vor allem der Anspruch an die Geldbörse hoch.
Zeit also für eine Neuerfindung: Sommerpause, Totalumbau, ein neuer Koch. Also nicht irgendeiner, sondern Joachim Gradwohl. Mein Interesse war also sofort geweckt, als letzte Woche eine Einladung zum „Vorkosten“ in der Mundschenk-Mailbox eintrudelte. Ganz sicher war ich mir natürlich nicht, was mich am Donnerstag da erwarten würde. Womöglich der große Medienzirkus mit den einschlägigen Adabeis, alle auf Bussi-Bussi? Aber eine Einladung, vorab die neuen Gerichte eines der besten österreichischen Köche überhaupt zu probieren, kann man unmöglich ausschlagen. Oder zumindest ich kann es nicht.
Meine Befürchtungen stellen sich als völlig unnötig heraus – am Donnerstag sind nur Bloggerinnen und Blogger eingeladen (außer mir Sarah Satt, Die Frühstückerinnen, Foodisten Kitchn Gschichtn Lemon Love, kek in Wien und Mangoblüte). Nach einer kurzen Begrüßung durch den Hausherrn Fabio Giacobelli wird uns das Konzept vorgestellt. Ein Wohnzimmer soll das Fabios für seine Gäste sein, ansprechender „speziell für Frauen“ und ganz generell zugänglicher. Ist dieser Wandel gelungen? (Ein Wohnzimmer mit Salumi-Vitrine und zugehöriger Berkel würde ich mir übrigens auch wünschen ;-))
Im Anschluß eine Führung durch das Lokal. Statt des vormals dominanten schwarzen Leders herrschen jetzt grau-braune Töne (taupe sagen die Presseunterlagen, Maulwürfe kamen mir aber eigentlich nicht in den Sinn). Der Lounge-Bereich wirkt dadurch sehr chic, aber trotzdem gemütlich. Das ab Montag servierte Frühstück kann ich mir hier gut vorstellen. Die Bar hingegen ist aus Kalkstein und schaut mit den beleuchteten Einschußlöchern verdammt cool aus. Die an der großen Schiefertafel ersichtlichen Cocktail-Preise entsprechen der Lage des Lokals. Wie gut gemixt wird, konnte ich nicht ausprobieren, die Spirituosenauswahl macht aber zuversichtlich!
Aber genug von der Innenarchitektur, befassen wir uns mit dem wirklich Wichtigen, der Küche von Joachim Gradwohl. Die Küchenlinie soll auf regionale Produkte aufbauen, aber doch italienisch-mediterran bleiben. Bei Meeresfrüchten und Fisch natürlich nicht einzuhalten, das Fleisch kommt aber aus Niederösterreich und der Steiermark. Das Brot für das sehr ansprechend am Holztablett servierte Gedeck liefern Joseph und Kasses.
Menüs gibt es keine, stattdessen sollen – wie in manch anderen Weltgegenden üblich – eine Reihe von unterschiedlichen Gerichten bestellt und gemeinsam verkostet werden. Auf daß sich die Gäste a casa, zuhause, fühlen mögen. Hierzulande sicher gewöhnungsbedürftig, aber als Konzept sympathisch. Ob sich dadurch preislich wie gewünscht die Zugänglichkeit verbessert, wird von den Portionsgrößen abhängen. Wir wurden mit (angekündigten) Einzelportionen bewirtet, weshalb ich diesen Aspekt nicht beurteilen kann.
Geschmeckt haben alle Gerichte hervorragend, beginnend bei Fabios Popcorn in Rosmarin-Tempura-Teig. Ich bin an sich gar kein Popcorn-Fan, dieses weist aber ein hohes Suchtpotential auf. Der Teig verhindert erfolgreich die sonst praktisch immer auftretende Styropor-Anmutung beim Kauen. (Mit 6,50 Euro übrigens das billigste Gericht auf der inzwischen im Internet verfügbaren Speisekarte und das einzige, das sich dort direkt wiederfindet.) Die folgenden Gänge lassen eine gewisse Meereslastigkeit erkennen, was aber natürlich kein Fehler ist.
Hauchdünn geschnittener Thunfisch mit Pfefferkruste auf einem Bett von Sprossen und gewürfeltem Gemüse. Eine Portion hat nicht gereicht ;-)
Risotto mit vongole, Oktopus und gegrillten Artischockenwürfeln. Cremig, kernig, wie ein Risotto sein sollte. Die sehr tiefen Teller sollte man aber noch einmal überdenken. Hübsch, aber für ein Gericht mit Muscheln extrem unpraktisch.
Steinbutt mit Baby-Pak-Choi und Pastinaken-Rum-Püree. Sehr fein, die Nüsse (schwarze und normale) setzen Texturakzente und das Zusammenspiel zwischen den bitteren Noten des Pak-Choi und der Süße des Pürees funktioniert hervorragend.
Nach dem Dessert (hervorragendes Vanilleeis mit einem etwas zurückhaltenden Lavendelpfirsich) setzt sich Joachim Gradwohl zu uns und beantwortet bereitwillig unsere Fragen. Wo er gerne ist („Daham!“) und wo die Rohprodukte herkommen (Wild liefert sein Cousin, Schwein sein Onkel) und was es zum Frühstück geben wird (steht noch nicht fest, zumindest die ersten paar Wochen wird er dafür aber auch in der Früh selbst in der Küche stehen). Nur die Standardfrage der Frühstückerinnen, ob die Eier aus Boden- (schlecht) oder Freilandhaltung (besser) stammen, kann Gradwohl spontan nicht beantworten.
Als er hört, daß ich selbst gerne koche, lädt er mich ein, doch einmal einen Tag mitzuhelfen und eine Profi-Küche von innen zu sehen. Nicht gleich, aber in ein paar Wochen, wenn sich das Team eingespielt hat. Die wenigsten würden dieses Angebot dann wirklich annehmen, meint er. Ich habe jedenfalls vor, darauf zurückzukommen.
War wirklich ein sehr netter Abend und genau als solchen hast du ihn auch wiedergegeben. Das Foto von Joachim Gradwohl ist wirklich super eingefangen. Er kommt darauf so lässig und natürlich rüber wie er es uns gegenüber war. Was die typische Styropor-Anmutung von Popcorn angeht, kann ich dir nur beipflichten ;-) Ich bin schon gespannt, was du nach deinem Kücheneinsatz im Fabios zu berichten haben wirst – das musst du unbedingt machen!
Lieber Gruß, Sarah
ganz herzliche gratulation zur treffenden beschreibung unseres zusammentreffens im neuen fabios!
wunderbare fotos!
kek hat in seine artikel einen link des mundschenk eingefügt und folgt euch jetzt auch auf twitter.
schön euch kennengelernt zu haben.
keke grüße,
andrea und claudia
kek, wiens beste seiten
http://www.kekinwien.at
info@kekinwien.at
http://www.kekinwien.at/essen/09/2012/essen-joachim-gradwohl-lebt-und-arbeitet-in-wien/
liebe grüße aus der keken redaktion!
Ja, ich hab mich auch sehr gefreut, einmal ein paar Kolleginnen kennenzulernen! Die ganze Blogging-Sache ist ja noch recht neu für mich ;-)