Vor dreieinhalb Monaten ist mein Vater gestürzt. Fast zwei Wochen hat sein Körper durchgehalten, aber die Gehirnblutung ließ sich nicht stoppen. Seit damals bin ich sprachlos. Nicht im Alltag, aber hier, beim Schreiben. Der letzte Text, den ich verfaßt habe, war die Totenrede für meinen Vater.
Ich weiß nicht, ob mein Vater diesen Blog jemals zu Gesicht bekommen hat. Wahrscheinlich hätte er schon mit dem Begriff blog nichts anzufangen gewußt. Das Internet war für ihn kein Neuland, sondern terra incognita im ursprünglichen Sinn: HIC SVNT LEONES. Nicht nur in dieser Hinsicht lebten wir in völlig verschiedenen Welten: Er in einem Blockhaus in den Tiroler Bergen, ich in einer Altbauwohnung in Wien. Eine größere Distanz könnte man innerhalb Österreichs fast nicht konstruieren.
Und doch würde es Der Mundschenk & Compagnie nicht geben ohne meinen Vater. Er hat meine Leidenschaft für Essen und Trinken geweckt. (Nicht ganz alleine, aber Monokausalität ist eben selten. Auch meine Mutter hat natürlich eine wichtige Rolle gespielt, denn für das Kochen zuhause war im Regelfall – eher traditionell – sie zuständig, wenn auch nicht ausschließlich.) Jedenfalls ist eine meiner frühesten kulinarischen Erinnerungen eine gemeinsame Reise mit meinem Vater durch Norditalien. Ich schreibe „Reise“, denn in der Erinnerung, meiner Erinnerung, war es eine Reise, aber wenn ich heute die Ortschaften und Städte auf der Landkarte betrachte, bin mir nicht mehr ganz sicher, ob das stimmen kann. Doch wen sollte ich noch fragen?
Hier also die Reise meiner Erinnerung: Zwei Wochen hatte ich, fünfzehn oder sechzehn Jahre alt, allein in Brescia verbracht, ein für sich eher mißglückter Sprachaufenthalt. Ob zur Belohnung für das Ausharren oder als Entschädigung, führte uns der gemeinsame Rückweg, der Osteriaführer immer am Armaturenbrett, auf etwas verschlungenen Wegen von Ort zu Ort.
In Mantua stellte ich erstaunt fest, daß die Piazza delle Erbe um Mitternacht belebter war als am frühen Abend. In Cormons kehrten wir bei Al Cacciatore della Subida ein. Die Wirtin möge bringen, was sie für gut empfände, bestellte mein Vater in seinem wohl fehlerhaften, aber im Vergleich zu meinem wesentlich flüssigeren Italienisch. An die Parmesan-Chips als aperitivo erinnere ich mich, an die faraona con lampone, Perlhuhn mit einer Himbeersauce und auch daran, daß die schwarzen Nudeln mit Tintenfischtinte, die mein Vater aufgrund seiner Fischallergie nicht essen wollte, ohne Probleme ausgetauscht wurden. In Cividale del Friuli sahen wir uns im Nationalmuseum die Relikte der Langobarden an, dann ging es wohl über Kärnten zurück nach Tirol. Oder nach Graz? Genau weiß ich es nicht mehr. Auch Erinnerung kennt Prioritäten.
Nein, Rezepte habe ich mir damals keine notiert. Kochen konnte ich zu dieser Zeit noch nicht. Aber die Saat war gelegt. (Die Parmesan-Chips habe ich dann eines Tages zu rekonstruieren versucht. Auch wenn es gefühlte 100.000 Anleitungen dazu im Netz gibt, diese hier ist ganz meine.)
Parmesan-Chips
- Vorschau: 12 Stück (8 cm Durchmesser)
- Vorbereitung: 10 Min.
- Koch-/Backzeit: 10 Min.
- Wartezeit: 10 Min.
- Fertig in: 30 Min.
Zutaten
- 150 g Parmigiano reggiano evt. inklusive Rinde
Zubereitung
- Parmesan fein reiben. Wenn es die Reibe hergibt (Microplane & Ausdauer oder elektrische Reibe) kann auch die Rinde des Parmesanlaibs so verarbeitet werden (sie ist noch würziger). Es dürfen aber wirklich nur feine Flocken sein, sonst ist der Biß unangenehm.
- Geriebenen Parmesan in möglichst gleichmäßigen Häufchen (nicht zu eng) auf einem mit Backpapier ausgelegten Blech verteilen. Vorsichtig andrücken und bei möglichst hoher Hitze ca. 10 Minuten backen. Bei mir waren das 225 °C Umluft, aber da die Parmesanbröselhäufchen so flach sind, sollten auch Ober- oder Unterhitze kein Problem sein.
- Wenn die Parmesan-Chips eine goldgelbe Farbe angenommen haben, das Backblech aus dem Rohr nehmen. Nun kann man sie entweder as-is auskühlen lassen (am besten auf einem Kuchengitter) oder, so lange sie heiß sind, in die gewünschte Form biegen: Stanitzel, Schälchen – der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt. In diesem Fall Handschuhe tragen und das Blech im Backrohr lassen. Die Chips einzeln herausnehmen und sofort in die gewünschte Form bringen. (Aufgrund ihrer geringen Masse kühlen sie sonst zu schnell aus und werden starr.)
- Küche:
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Danke für den schönen Beitrag, sehr berührend. Für das kommende Jahr wünsche ich dir alles Gute. Grüße aus Salzburg, Claudia
schön. sehr schön, nimmt mich auf Deine Reise mit …
danke für diese Geschichte. ich hatte damals für deinen Vater gebetet. alles gute für dich!
wunderbarer Text, danke, dass du uns an deinen Erinnerungen teilhaben lässt
Wunderschön geschriebene Erinnerungen. Alles Gute für 2015.
(und Fricos liebe ich sowieso.)
Jede Reise nimmt wohl irgendwann ein Ende … eine sehr berührende Geschichte – DANKEschön! Für 2015 wünsche ich das Allerbeste <3
lieber peter, mein mitgefühl. schöner text. mein vater ist „gestorben“ als ich 6 jahre alt war. er hat einfach seine familie hinter sich gelassen und nie wieder gesehen
Danke Euch allen für die Anteilnahme. Es war nicht ganz leicht für mich, diesen Text zu schreiben, aber ich bin froh, daß ich es getan habe.
Erstmal auch mein herzlichstes Beileid & gleichzeitig ganz großes Lob für den schönen Beitrag..das geht unter die Haut. Vielleicht kommst du ja eines Tages mal wieder ins Al Cacciatore della Subida. Wie auch immer…tolle & berührende Geschichte. Alles Gute für 2015!