Letzten Samstag waren wir zum zweiten Mal in der Weinschenke in der Franzensgasse 11 in Margareten. Vormals als „Deutschkreutzer Weinschenke“ einer der letzten Branntweiner der Gegend, fällt die aktuelle Inkarnation recht deutlich in die Kategorie „Bobo-Lokal“. Aber bitte nicht falsch verstehen: In einem Blog wie diesem ist das kein abwertendes Epitheton!Unser erster Besuch fiel in die Zeit kurz vor der Entstehung von Der Mundschenk & Compagnie. Kurz hatte ich schon damals überlegt, über das sehr beeindruckende Essen zu berichten – die etwas dürftigen iPhone-Bilder gaben dann den Ausschlag dagegen. Das Menü wäre es jedenfalls Wert gewesen, auch wenn die Details inzwischen ein bißchen verschwommen sind: Eine Suppe mit dünn darüber gehobeltem Katsuobushi. Die Flocken winden sich, als wäre der Bonito zu einem zweiten Leben erwacht. Ebenso großartig das rückwärts gebratene Roastbeef, zu einem wirklich fairen Menüpreis und günstiger Weinbegleitung.Diesmal ist alles ähnlich, aber nicht ganz. Die Weinschenke ist immer noch ein Raucherlokal, aber so lang wir drin sind, fällt uns das nicht weiter störend auf. (Hinterher ist’s allerdings doch an der Kleidung unüberriechbar.) Die Speisekarte kommt nur noch als A4-Zettel daher, Menürabatt gibt es keinen mehr. Auch die Weinbegleitung fällt zumindest an diesem Abend aus, der Weinspezialist ist (nur an diesem Abend?) nicht mehr da. Wobei die Getränkewahl angesichts der umfangreichen und günstigen Weinkarte kein unlösbares Problem bleibt ;-)
Wir bestellen die letzte Portion hausgemachten Seitan in Curry-Sud, zweimal Suppe, zweimal angeblich „butterweiche“ Schweinsstelze, einmal Fleischlaberl. Erste Verwirrung: Die Fleischlaberl kommen vor der Suppe. Die Bestellreihenfolge war ungünstig, nachgefragt wurde nicht. Die kalte Kochsalat-Velouté mit Ananaswürfeln sehr fein.
Die Schweinsstelze ist grundsätzlich gut, „butterweich“ trifft aber nicht ganz zu (einige am Tisch hatten Zweifel, sous-vide wäre es aber sicher möglich gewesen). Interessant das nudelartige geschnittene Gemüse obenauf. (Was es war? Keine Ahnung, auf der Karte stand es nicht.) Der Vogerlsalat angenehm knackig und frich.Den Seitan habe ich nur kurz gekostet, der Geschmack war, nun ja, eher neutral – jedenfalls im Vergleich zum sehr guten Curry-Sud nicht weiter auffällig. Damit hat er meine Erwartungen sozusagen voll erfüllt ;-). Sehr wohlschmeckend waren übrigens die knusprigen Kokos-Reis-Bällchen. Auf diesem Niveau könnte ich mich zu vegetarischer (oder sogar veganer?) Küche überreden lassen. Hat jemand gute Adressen in Wien?
Zum Abschluß und nach drei Flaschen Wein (Zu viert, falls es wer wissen will. Zweimal Grauburgunder und einmal die rote Cuvée „Steinberg“ von Jalits, falls ich da jetzt nichts verwechsle.) gab es noch Milchreis. Also nicht so für Kinder, sondern mit Salzkaramell, Portweinfeigen und sehr kakaoigen Schokoladen-Cookies. Wobei mir letztere schon vom ersten Besuch bekannt vorkamen (und in der Konsistenz – sehr hart und spröde – etwas gewöhnungsbedürftig).
Unser Eindruck nach dem zweiten Besuch? Gemischt. Unsere Erwartungen waren nach dem ersten Essen wohl einfach zu hoch, vielleicht war’s auch einfach der falsche Tage. Jedenfalls war’s all in all nicht so faszinierend wie in unserer Erinnerung. Andererseits: Fein war’s schon. Und trotz des Rauchs (oder deswegen?) hat die Weinschenke etwas Gemütliches. Ich glaube, wir werden wiederkommen.
Der Küchenmeister arbeitet als Informatiker und dilettiert in seiner Freizeit am Herd und Zirkulator. Seit einigen Jahren gilt sein besonderes Interesse den modernen Küchentechniken.
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