Der Gin & Tonic hat eine lange und glorreiche Tradition. Die feineren Details der Zubereitung dieses Erfrischungsgetränks aus den Tagen des British Empire sollen ja schon manche Freundschaft zerstört haben (Limette oder Zitrone? Gurke gar? Häretiker!). In den letzten Jahren sind auch immer mehr craft gins aufgekommen, die den Liebhaberinnen und Liebhabern des Gin & Tonic feinere und vor allem unterschiedlichere Aromen und Geschmacksnoten versprechen. Doch was ist mit der mengenmäßig viel wichtigeren Komponente, dem Tonic?
Bis vor wenigen Jahren war praktisch nur der Marktführer Schweppes mit seinem Indian Tonic Water erhältlich. Inhaltstoffe: „Wasser, Zucker, Kohlensäure, Säuerungsmittel Citronensäure, natürliches Aroma, Aroma Chinin“. Uhm ja. Obwohl uns G&T‑affine Menschen aus Amerika für diese Zutaten beneiden. High-fructose corn syrup, anyone? Dann kamen langsam Alternativen auf, z.B. von Thomas Henry. Schmeckt vielleicht anders, an der Zutatenliste würde man es halt nicht erkennen. (Warum auch „natürliche Aromen“ jetzt nicht so der Bringer sind, hat Katharina Seiser vor ein paar Jahren schön zusammengeschrieben.)
Kürzlich saßen wir also zusammen und beklagten den Zustand des Tonic-Markts: Picksüßes Gschlader überall, nirgends ordentliche Zutaten ohne Aromastoffe. Ja, da gäbe es inzwischen schon spannende Produkte in Sirupform, zum Aufspritzen mit Sodawasser, zum Beispiel Tomr’s Tonic Syrup. Viel Innovation (oder eigentlich: Rückbesinnung), aber halt leider nicht in Europa (oder gar Österreich). Wobei: Nachfragen müßte man da auch erst einmal, was wirklich drin ist, denn leider sind die Zutaten nicht online. Einigen elektronischen Postverkehr mit Tom Richter in NYC später aber dann die Bestätigung – ja, das könnte es sein.
„We use no artificial ingredients!“ schrieb er mir gleich zurück. Neben gefiltertem Wasser enthielte sein Tonic nur Chinarinde, verdampften Zuckerrohrsaft (also das, was in Südamerika als panela bekannt ist), Citronensäure, Zitrusfrüchte und verschiedene Kräuter und Gewürze – bis auf die Citronensäure alles in Bio-Qualität. Oh, und seit kurzem gäbe es einen Vertrieb in Europa, den deutschen Gin-Spezialisten Ginobility. Die Versandkosten nach Österreich sind leider deutlich höher als nach Deutschland, aber dank einer Sammelbestellung fielen sie dann nicht wirklich ins Gewicht. Bezahlung per PayPal (anders als bei vielen Händlern wurden für diese Zahlungsart keine zusätzlichen Spesen berechnet); feiertagsbedingt kam die Sendung planmäßig in der zweiten Jännerwoche an.
Der erste Eindruck: putzige Fläschchen. Sie wirken doch deutlich kleiner, als ich das erwartet hatte. Die Farbe: ein dunkles Rotbraun, denn ja, Tomr’s Tonic ist unfiltriert. Man möge die Flaschen vor Gebrauch aufschütteln. Ich bin allerdings ehrlich gesagt nicht ganz sicher, wozu das gut sein soll, außer man will das Mundgefühl von türkischem Kaffee erzielen. Die Geschmacksstoffe der Gewürze (neben der Chinarinde schmeckt man sehr deutlich eine Zimtnote heraus) sind ohnehin schon in Lösung und beim Aufspritzen mit Soda führen die feineren Schwebstoffe ohnehin schon zu einem überaus kräftigen Aufschäumen. Weitere Nukleationskeime braucht es da wirklich nicht, die Kohlensäure soll ja möglichst im Getränk bleiben.
Der Erstversuch ohne Eis (ganz im Sinne von Colonel Henderson in The Year of Living Dangerously): ein Teil Tonic-Sirup, zwei Teile Gin, drei Teile Sodawasser. Laut Rezeptur auf der Flasche wären das fluid ounces gewesen (ziemlich genau 3 cl), ich habe etwas großzügig 4 cl substituiert. Gemeinsam mit dem Verzicht auf Eis ist das Ergebnis etwas zu stark (sowohl hinsichtlich des Alkoholgehalts wie des Tonic-Geschmacks), aber durchaus angenehm zu trinken. Mit Schmelzwasser sicher perfekt!
Variante zwei dann ohne Gin, aber mit einer Scheibe Zitrone: 2 cl Tonic-Sirup in einem Highball-Glas, aufgefüllt mit 250 ml Soda. Erfrischend, nicht zu bitter, überhaupt nicht süß. Die Zimtnote ist nicht mehr so dominant, dafür das Glas sofort leer. Mehr davon! Leider sind bei Ginobility nur die kleinen 200-Milliliter-Fläschchen zu bekommen. In den USA gibt es den Sirup auch in 750-Milliliter-Gebinden, da wäre das Preis-Leistungsverhältnis noch ein bißchen besser. Legt man das auf der Flasche aufgedruckte Gin & Tonic-Rezept zugrunde, reicht ein Flascherl für sechseinhalb Highballs – pro G&T kommt man damit auf Kosten von ungefähr 1,70 Euro für das Tonic (ohne Soda gerechnet). Zum Vergleich: ein 200-Milliliter-Fläschchen Schweppes Indian Tonic Water kommt online auf 1 Euro.
Mindestens siebzig Prozent Preisdifferenz – kann es das wert sein? Wenn man mit der ungewohnten Farbe zurechtkommt, auf jeden Fall. Im direkten Vergleich (das heißt auch ohne Eis und ohne Gin) stellt sich das Industrieprodukt als untrinkbar heraus: Viel zu viel Zucker und ein penetranter Geschmack nach Citronensäure und Aromen. Dafür bin ich jetzt wohl verdorben.
Nachtrag
Ein sehr lesenswertes Feature zu Tomr’s Tonic gibt es auf StarChefs.com .
so, jetzt endlich auch hier (diese unsitte, nur mehr so wenig auf blogs direkt zu kommentieren, herr zuckerhut sei dank, geht mir eh auch auf den senkel):
danke, dass du nägel mit köpfen gemacht hast, das finde ich großartig! und dass du bei mr. tom nachgefragt hast. und überhaupt.
frau küchenlatein (von beruf lebensmittelchemikerin) hat sich gerade eben auch ähnliche fragen gestellt.
nachdem sie herkömmliche tonics analysiert hat
http://kuechenlatein.com/tonic-water/
ist sie zum schluss gekommen, dass selbst sirup machen wohl die einfachste lösung sein müsste:
http://kuechenlatein.com/home-made-tonic-water-tonic-wasser-hausgmacht/
ich nehme an, der tomr’s ist komplexer im aroma, aber ein anfang ist gemacht.
schön, wenn durch’s reden die leut‘ (und die tonics) zusammenkommen!
Na, ich benutze auch nur Wasser, Zucker, Zitronengras, Chinarinde, Zitronensäure und Limettenschale und muss das noch nicht einmal das fertige Produkt erwerben
ja, eh, ulrike, aber tomr’s enthält offenbar auch gewürze und er scheint das ding irgendwie zu brauen (zu fermentieren, peter?). nicht umsonst gibt’s da zig oder hunderte verschiedene rezepte. ich find’s super, dass beides geht: einen sehr anständigen sirup zu kaufen und ihn selbst zu machen.
Sorry für die verspätete Antwort:
@katha: Danke für den interessanten Link, das besprochene Projekt (Marktanalyse und dann selber machen) steht für den Sommer! Ich werde mich in der Zwischenzeit einmal schlau machen, was alte Rezepte aus dem englischen Sprachraum betrifft. „Die modernen Getränke“ von F.J. Beutel kennt leider kein Tonic. Auf eGullet gibt es einen – leider nicht sehr langen – Thread zu dem Thema: http://forums.egullet.org/topic/41431-tonic-water-and-tonicquinine-syrup/
Fermentiert ist Tomr’s glaub ich nicht, eher wie ein (Kräuter-)Tee gebrüht. Die Farbe kommt wohl hauptsächlich von der Chinarinde (und der fehlenden Filtration – die find ich immer noch ärgerlich), aber es muß auch noch etwas Cumarinhaltiges – vmtl. Zimt – enthalten sein.
@Ulrike: Ich fand Deinen Blog-Beitrag sehr spannend, möchte allerdings wie Katharina Deiner Schlußfolgerung insofern widersprechen, als daß in den meisten Tonics eben noch andere Gewürze enthalten sind, die erst den vollen Geschmack ausmachen. Ich finde, daß es gerade auch auf diese zusätzlichen Komponenten ankommt (besonders im Zusammenspiel mit Gin).
Kurze Info: Die 750ml Flaschen Tomrs Tonic sind nun auch verfügbar!
Schöner Artikel, werde den Tomr Tonic auf jedenfall mal ausprobieren, schon mal das Fever-Tree Indian Tonic Water probiert? habe ich persönlich neu für mich entdeckt.