Orient und Okzident am Teller

Und dann war’s schon wie­der vor­bei. Vor genau einer Woche fand das letzte Abend­essen unse­rer klei­nen Din­ner-Runde statt. Gast­ge­be­rin Bine von „Bine kocht!“ hatte uns schon bei mei­nem Gans­les­sen eine Woche vor­her mit per­so­na­li­sier­ten Ein­la­dun­gen über­rascht: Vin­tage Asia war also ange­sagt. (Mein eige­nes Menü wird nicht ganz aus­ge­las­sen, keine Sorge, aber per­fek­tio­ni­stisch wie üblich möchte ich natür­lich auch die Her­stel­lung ange­mes­sen doku­men­tie­ren, weil spe­cial cir­cum­stances und so … ich bitte daher die geneigte Lese­rin­nen- und Leser­schaft noch ein biß­chen Geduld mit mir zu haben.)

Menükarte "Vintage Asia"
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc
Prosecco mit Litschi und Zitronengras
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc
Aber zurück zu Bines opu­len­tem Abend­mahl. Vin­tage Asia ent­puppte sich als Dia­log von Ori­ent und Okzi­dent, bei Vor- und Nach­speise sogar in Form von jeweils zwei Gerich­ten pro Gang. Den Apé­ri­tif – Pro­secco mit Lit­schi und Zitro­nen­gras (ich hör schon das STAN­DARD-Forum auf­jau­len ;-)) – nah­men wir noch im Ste­hen ein. Zeit genug für einen kur­zen Abste­cher in die Küche, ehe sich die Gast­ge­be­rin sich dort­hin zurück­zog und uns durch ihren Ehe­mann (Mr. Bee hims­elf) ablen­ken ließ. Ein gewis­ses Fai­ble für „Vil­leroy & Boch“-Geschirr konnte Bine nicht ver­heim­li­chen, was sich dann auch im ver­wen­de­ten Ser­vice nie­der­schlug: Jeder Gang bekam einen anders gestal­te­ten Tel­ler. Kurz noch zum Apé­ri­tif: Optisch gelang der Brücken­schlag zwi­schen Asien und Europa (wobei Pro­secco jetzt nicht so arg vin­tage ist) wirk­lich gut (Früh­lings­zwie­bel!), geschmack­lich blieb’s halt ein Pro­secco mit einem fruch­tig-süßem Häpp­chen hintennach.

Lauwarmes Steak auf gebratenen Erdäpfeln mit Mayonnaise und Koriandergrün
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc
Das erste High­light: amuse bou­che (auf die­ser For­mu­lie­rung bestand Bine, amuse gueule gefällt ihr gar nicht) von Erd­äp­feln & Steak mit Senf-Mayon­naise, Kori­an­der und schwar­zem zyprio­ti­schem Meer­salz. Lau­warm (ich hatte die Erd­äp­fel heiß erwar­tet, aber das hätte mit der Mayon­naise natür­lich nicht so ser­viert wer­den kön­nen und auch das Fleisch wäre ver­mut­lich noch nach­träg­lich ver­brut­zelt), aber wun­der­bar har­mo­nisch im Geschmack. Die zarte Kör­nig­keit des Sal­zes hat da wirk­lich her­vor­ra­gend gepaßt!

Kurz angebratener Thunfisch auf Sojasproßensalat mit Wasabiscreme vs. Beef tartare mit Wachteleidotter
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Ful­mi­nant ging es dann wei­ter: Ein Duett aus steak tar­tare (rich­tig old school mit Wach­te­lei­dot­ter) und Thun­fisch mit Pfef­fer-Sesam-Kru­ste und Soja­spros­sen­sa­lat mit Wasa­bicrème. Dazu gehörte noch eine sepa­rat gereichte Knob­lauch-Ing­wer-Sauce (die aber eben des­we­gen ein wenig unter­ging, fürchte ich). Brot natür­lich auch, aber lei­der nicht getoa­stet und ohne nähere Erläu­te­rung der Her­kunft. Die gab’s auch zu Fleisch und Fisch nicht, schade. (Rand­no­tiz: Thun­fisch ist ja wie fast alle wohl­schmecken­den Mee­res­fi­sche auf der Liste der Tiere, bei denen ich beim Ver­spei­sen ein schlech­tes Gewis­sen ver­spüre. Warum mag nie­mand den Tila­pia aus­rot­ten? Aber der ist eh nur der Beweis, daß auch Fisch aus Aqua­kul­tur nicht nach­hal­tig sein muß. *seufz*) Eine sehr gelun­gene Vor­speise, wobei ich mir im Salat ein biß­chen Schärfe gewünscht hätte. Aber ich bin halt schon fast ein chi­le­head.

Rosa gebratene Lammkrone mit Thai-Spargel, Zuckerschoten und Erdäpfelgratin
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc
Nach der doch recht üppi­gen Vor­speise brauch­ten wir trotz unse­res guten Appe­tits eine kleine Pause. Dann ging es aber schon wei­ter mit per­fekt rosa gebra­te­nen Lamm­ko­te­letts (es geht auch ohne sous-vide, ein Teil des Flei­sches über­g­art halt immer), Thai-Spar­gel und Zucker­scho­ten aus dem Wok, dazu Erd­äp­fel­gra­tin mit Kokos­milch ver­fei­nert und selbst gemachte Teri­yaki-Sauce. Trotz vor­ge­wärm­ter Tel­ler kühlte lei­der das Gemüse rela­tiv schnell aus. Jür­gen gefiel die Ver­wen­dung von Spar­gel zu die­ser Jah­res­zeit nicht (und ganz unrecht hat er damit natür­lich nicht), aber das war eben der asia­ti­sche touch (neben der Kokos­milch im Gra­tin), inso­fern schon pas­send. Ein­zig die (nicht ent­kernte) Para­dei­ser- (oder hier schon bes­ser: Tomaten-)spalte zur Deko­ra­tion hätte nicht sein müs­sen. Vin­tage, OK, aber halt gust­a­to­risch wirk­lich wert­los. Aber hey!, ich habe auch Jür­gens Lamm gerne aufgegessen ;-)

Kardinalspitz - eine Kardinalschnitte im Cupcake-Format
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc
Ingwer-"Panna cotta" mit Cashew-Minz-Pesto
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Das Des­sert kam dann wie­der also Duo an den Tisch: Einer­seits als „Kar­di­nal­spitz“ (eine Kar­di­nal­schnitte im Cup­cake-For­mat) und ande­rer­seits als Ing­wer-Panna cotta mit Minz-„Pesto“. Der Kar­di­nal­spitz war sehr fein, nicht umsonst gilt Bine in halb Deutsch­land als die Köni­gin der Kar­di­nal­schnitte. Schön kom­bi­niert auch das sal­zig-sauer-min­zige „Pesto“ (gesal­zene Cas­hew-Kerne, fri­sche Minze, Oli­venöl, Calamansi-Essig) mit der cre­mi­gen panna cotta. Hand­werk­lich hatte da aller­dings etwas nicht ganz hin­ge­haut, die Masse hatte sich vor dem Gelie­ren getrennt. Geschmack­lich stö­rend war die­ser kleine Schön­heits­feh­ler jedoch nicht.

Nach­dem alle, die woll­ten, mit Kaf­fee und Grappa ver­sorgt waren, schrit­ten wir zum letz­ten Mal zur Punk­te­ver­gabe. Allen war klar, daß Bine mit die­sem Essen ganz vorne mit­spie­len würde. Aber wie weit vorne? Nie­mand von uns kocht schlecht und alle Kri­tik­punkte, die in den letz­ten Wochen geäu­ßert wur­den, sind natür­lich Jam­mern auf hohem Niveau.

Für die Aus­wer­tung mußte Mr. Bee dann kurz­zei­tig in die undank­bare Rolle des Unpar­tei­ischen schlüp­fen, zwei­fel­hafte Punk­te­zah­len wur­den vom kol­lek­ti­ven Nota­riat beglau­bigt (note to self: wenn wie­der ein­mal Punkte ver­ge­ben wer­den, bei 6 & 9 immer einen Punkt machen). Dann war es end­lich soweit. Auch wenn man (wie ich) Punk­te­ver­ga­ben beim Essen blöd fin­det, ent­wickelt man in der Spiel­si­tua­tion doch einen gewis­sen Ehr­geiz. Ins­be­son­dere nach den nicht gar so ful­mi­nan­ten Bewer­tun­gen im Früh­jahr. Wie würde ich also abschneiden?

Die Scorecard für unser Foodblog-Dinner: 33 Punkte für uns
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Die Stimmzettel des Foodblog-Dinners werden rituell verbrannt
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Hell yeah! 33 Punkte und damit doch rela­tiv deut­lich vor Kevin und Bine auf Platz 1! Komisch, wie viel wich­ti­ger so eine Punk­te­zahl wird, wenn man gewon­nen hat ;-). Das Bio-Gansl hat sich also aus­ge­zahlt. Schon schön, die­ses Gefühl. Mitt­ler­weile war es schon recht spät gewor­den … die Stimm­zet­tel hat­ten wir bereits ritu­ell ver­brannt (ein Bal­kon mit Gril­ler ist für sol­che Gele­gen­hei­ten auch im Spät­herbst sehr prak­tisch). Der Sum­men­zet­tel aber bekommt einen Ehren­platz an mei­ner Pin­wand, so viel steht fest.

Zum Abschied ein Glas Bründlmayer Brut Rosé
Bild: Der Küchenmeister | mnd.sc
Ein biß­chen waren wir ja alle trau­rig, daß unsere wöchent­li­chen kuli­na­ri­schen dates nun zu Ende sein wür­den. Jür­gen möchte im Früh­jahr 2014 mit neuen Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mern noch eine Runde durch­füh­ren. Wer also an dem For­mat Gefal­len gefun­den hat, kann sich bei ihm mel­den. As for the rest of us, wir wis­sen es noch nicht genau. Mir schwebt eigent­lich schon seit dem letz­ten Mal eine gemein­same Koch­runde vor, ein­mal im Monat, ohne Punkte (aber mit vie­len Blog-Bei­trä­gen und qua­li­ta­ti­ver Kri­tik). Wer sich eher dafür begei­stern kann, weiß ja hof­fent­lich, wo man mich fin­det.

Der Küchenmeister

Der Küchen­meis­ter arbei­tet als Infor­ma­ti­ker und dilet­tiert in sei­ner Frei­zeit am Herd und Zir­ku­la­tor. Seit eini­gen Jah­ren gilt sein beson­de­res Inter­esse den moder­nen Küchentechniken.

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2 Kommentare

  • Bine schrieb:

    Hi!

    Vie­len, vie­len Dank für Dei­nen tol­len Bericht! Zur Her­kunft des des Flei­sches. Hab sowohl den Rinds­lun­gen­bra­ten, als auch das Lamm beim Mer­kur am hohen Markt gekauft. Der Lun­gen­bra­ten (Ja!Natürlich – stammt aus Öster­reich – aber wie gesagt nicht nach­voll­zieh­bar von wel­chem Bau­ern kon­kret.) Das Lamm ist eben­falls Bio-Qua­li­tät aus Neu­see­land. Der Thun­fisch eben­falls vom Mer­kur am Hohen Markt (Sas­himi Qua­li­tät). Lei­der wie Du sagst nur mehr mit schlech­tem Gewis­sen zu genie­ßen… Schade, dass es schon vor­bei ist. Und von mir noch­mal herz­li­che Gra­tu­la­tion zum ver­dien­ten Sieg!!! Die Gans war der Ham­mer! Und das Mark. Und die Pastete. Liebe Grüße Bine

  • Danke schön! Den Mer­kur hat­test Du glaub ich eh beim Din­ner kurz erwähnt, aber das mit Bio ging an mir echt vor­über. Ich hab da näm­lich ein biß­chen auf eine Anspra­che zur Her­kunft der Pro­dukte gewar­tet. (Bin da schon ein bissi fre­aky, ich weiß ;)

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